Inzwischen gibt es so einige Meinungen zu The Last of Us 2 und es gibt viele Sichtweisen auf das Ende des Action-Adventures. Die einen finden es perfekt, die anderen absolut unpassend und wieder andere haben gar nicht bis zum Finale durchgehalten, sondern sich bereits vorab eine unkonstruktive und viel zu stark von Emotionen geleitete Meinung gebildet. Mein Kollege Lucas Grunwitz hat sich dazu bereits in einem Artikel geäußert:
Ich habe das Spiel vollständig durchgespielt und meine Gedanken bereits in unserem Test zu The Last of Us 2 geschildert. Um ihn frei von Spoilern zu halten, habe ich mich bisher jedoch nicht zum Ende des Spiels geäußert. Und das obwohl gerade die letzten 30 Minuten des Spiels für den Titel meiner Review verantwortlich gewesen sind: „Ein Ausnahmetitel, der uns den Schlaf raubte.“
Doch warum habe ich nach „The Last of Us 2“ bisweilen kein Auge zugetan? Warum finde ich das Ende sogar riskant? Das möchte ich in den folgenden Zeilen erklären, diesmal jedoch mit Spoiler-Warnung.
Schmerzhafter Abschied von Abby und Ellie
Nach jedem Spiel, in dem man eine Verbindungen zu den Charakteren entwickelt hat, bleibt oft ein kleines Loch, eine kleine Leere zurück. So fiel es mir zum einen schwer, von beiden Protagonistinnen Abschied zu nehmen, sowohl von Ellie als auch von Abby. Für beide habe ich im Verlauf der Handlung unfassbar viel Mitgefühl und Anteilnahme entwickelt, Verständnis für ihre Handlungen und ihre Motive aufgebracht.
Zum anderen hat mich die Spielwelt vollends vereinnahmt, die Stimmung, das Setting. Kurzum: Ich habe mich vollends auf das Game eingelassen. Dass hier zum Schluss Gefühle von Wehmut und Abschiedsschmerz aufkommen, war abzusehen, doch „The Last of Us 2“ hat eine weitere Emotion in mir hervorgerufen: Hoffnungslosigkeit.
Das gefährliche Motiv der Hoffnungslosigkeit
Versteht mich bitte nicht falsch: Ich finde das Spiel unglaublich gelungen und hierbei beziehe ich mich insbesondere auf die Geschichte, die in „The Last of Us 2“ erzählt wird. Meine persönlichen Kritikpunkte am Gameplay und allgemeinen Aufbau schildere ich dagegen näher in meinem Test. Obwohl also die Story meiner Meinung nach überaus überzeugend erzählt wird und ich den Charakterwechsel zu Abby so fantastisch gelungen finde, lässt die Erzählweise des Spiels einen faden Beigeschmack in mir zurück, denn es spielt mit dem Motiv der Hoffnung.
Damit in Medien wie Filmen, Serien oder Büchern zu arbeiten, ist so alt wie das Geschichtenerzählen selbst. Für Spielentwickler ist es ebenfalls kein unbetretenes Neuland. Doch gerade in Videospielen sollte man das Thema der Hoffnungslosigkeit wie ein rohes Ei und mit einer gewissen Gewissenhaftigkeit behandeln. Spiele bieten Immersion, sie bieten das Eintauchen in eine neue Rolle und lassen uns durch unser Aktivwerden mehr als alle andere Medien Teil einer Geschichte werden.
Und gerade „The Last of Us 2“ wünscht sich eine gewisse Anteilnahme von den Spielern. Nicht umsonst erleben wir die Geschichte von beiden Seiten, erleben den Schmerz und die Lebenswelt beider Seiten. Sollen dabei unser Handeln, unsere Sichtweisen hinterfragen – wir sollen uns einsam fühlen, verloren, wütend und verletzt. Aber wie war das mit dem Licht am Ende des Tunnels?
Das Ende: Vom Lichtblick in die Finsternis
Eine Welt zu zeichnen, die schon für sich allein die pure Verzweiflung verkörpert, das Ende von allem, was man kannte, die von Verlust und Tod geprägt ist, ist riskant. Ein Ende wie das von „The Last of Us 2“ zu wählen, meiner Meinung nach noch viel riskanter. Nachdem man dem Spieler heimtückisch ein vermeintlich glückliches Ende mit Ellie und Dina auf der Farm und Abby mit Lev in Santa Barbara vorgaukelt, erhält der Spieler nach all dem erlebten Elend, einen weiteren Schlag versetzt.
Und ja: Der Schlag war berechtigt, der Story zuträglich und weitaus nahbarer als das Happy End der Patchwork-Familien, aber er war heftig. Mir persönlich etwas zu heftig und vor allem: erbarmungslos. Abbys und Ellies Geschichte endet intensiv. So intensiv, dass ich bei dem letzten Zweikampf dieser beiden verzweifelten und geschundenen Wesen wahrscheinlich nicht einmal geatmet habe. Der erste Atemzug folgte erst wieder, als Abbys Leben verschont wurde. Aber im gleichen Moment trauerte ich bereits um Ellie, um ihre verlorenen Finger, ihre traumatisierte Seele. Ich trauerte um ihre Fähigkeit auf der Gitarre spielen zu können, die sie so innig mit Joel verband und in „The Last of Us 2“ doch eigentlich so magisch zu den kleinen musikalischen Lichtblicken führte.
Ihr seid nicht alleine
Und schließlich trauerte ich um den wohl wichtigsten, menschlichen Kraftspender: Die Hoffnung. Denn auch, wenn das Ende von The Last of Us 2 Raum für Interpretation und Analyse lässt und auch, wenn mein rationaler Geist dieses Ende versteht und für die Geschichte als wunderbar passend empfindet, hat mich meine Empathie einige Nächte nicht schlafen lassen. Meine Empathie gegenüber den Charakteren, aber auch gegenüber jenen, denen das Motiv der Hoffnungslosigkeit, Trauer und Verzweiflung ebenso zusetzt wie mir. Lasst euch gesagt sein: Ihr seid nicht alleine.
„The Last of Us 2“ fehlt bei diesen finalen Szenen meiner Ansicht nach einfach die Deutlichkeit. Wenn Naughty Dog mit diesen fragilen und gefährlich triggernden Motiven bei einem so emotionsgeladenen und immersiven Titel spielt, sollte Verantwortung übernommen und vor allem zum Schluss deutlich gemacht werden: Es gibt sie, die Hoffnung. Es gibt sie immer. Egal wie düster die Welt aussieht, es gibt sie. Für Ellie, für Abby, für uns alle.