So richtig Fahrt nimmt „The Last of Us“ erst auf, als die junge Ellie auf der Bildfläche erscheint, die wir in das Hauptquartier der Widerständler namens Fireflies nach Utah eskortierten sollen. Besonders die Beziehung zwischen Joel und Ellie ist es, die das Spiel so anders erscheinen lässt und in meinen Augen so viel besser macht.
Anfangs spannungsgeladen, erleben wir hautnah mit, welch vielschichte Verwandlung die beiden durchmachen, zusammenwachsen, sich gegenseitig das Leben retten. Kein anderes Medium ist in der Lage, eine solch tiefgreifende Bindung zu seinen Charakteren aufzubauen, wie das Medium der Videospiele und „The Last of Us“ markiert in meinen Augen die Speerspitze des Ganzen. Besser geht es nicht.
Die Welt erzählt ihre eigene Geschichte
Dabei sind es noch nicht einmal die Kern-Spielmechaniken, denn dort erfindet „The Last of Us“ das Rad nicht neu. Schießen, Crafting, Schleichen – Funktioniert alles hervorragend, ist aber nicht wirklich neu.
Neu fühlen sich aber vor allem die Infizierten um Clicker, Bloater und Co. an. Klar, auch hier gab es zig Horrorspiele, in denen wir es in irgendeiner Form mit Infizierten oder Zombies zu tun bekamen. Aber die Atmosphäre, die „The Last of Us“ hier in einem dunklen Gewölbe erzeugt, sucht ihresgleichen.
Bis heute sind in meinen Augen nur wenige Spiele in der Lage, alleine durch die Geräuschkulisse eine derart intensive Atmosphäre auf den Bildschirm zu zaubern – „Metro: Exodus“ wäre für mich ein aktuelles Beispiel, dem das ebenfalls sehr gut gelingt.
Das Zusammenspiel aus heulendem Wind, prasselndem Regen und vorbeiflitzenden Ratten erzeugt eine intensive Grundstimmung, die für mächtig Unbehagen in der Magengegend sorgt. Wenn dann auch noch das Schreien und Grunzen der Clicker dazukommt, ist die Gänsehaut perfekt.
Genauso sind es aber auch die ruhigen, einzigartigen Momente, in denen Naughty Dog bewusst das Tempo herausnimmt, um für erinnerungswürdige Situationen zu sorgen. Wie die Giraffen beispielsweise, der Ausritt mit den Pferden oder der Schneesturm.
Momente, die uns für eine kurze Zeit innehalten und die dichte Atmosphäre auf uns wirken lassen, wie es kaum einem anderen Spiel gelingt. Nur, damit „The Last of Us“ kurze Zeit später wieder das Tempo anzieht und uns unweigerlich auf den knallharten Boden der Tatsachen zurückholt.
Brutal anders, anders brutal
„The Last of Us“ versucht gar nicht erst, seinen rauen Kern zu verstecken. Das Spiel ist unglaublich brutal. Doch was manch anderer Titel gerne als Stilmittel nutzt oder gar als Verkaufsargument verwendet, wirkt hier absolut stimmig ohne dabei die Gewalt zu glorifizieren.
Joel und Ellie sind keine mordenden Psychopathen. Die Gewalt im Spiel ist schlicht und ergreifend das Produkt zweier Überlebender, die den nächsten Tag erleben wollen. Doch wenn wir einem menschlichen Gegner oder Infizierten das Leben aushauchen, fühlt sich das nicht etwa stark, befriedigend oder gar berauschend an. Es fühlt sich schrecklich an.
Die unglaubliche Brutalität, die Joel zum Ende des Spiels im Krankenhaus an den Tag legt, sucht ihresgleichen. Trotzdem gelingt es dem Spiel, dass wir uns dabei schlecht fühlen. Das Zünglein an der Waage dafür ist ebenfalls Ellie, die uns im Verlauf des Abenteuers zu einem anderen, besseren Menschen gemacht hat.
In dem jungen Mädchen, das immerhin nichts anderes kennt als eine Welt, in der jeder gegen jeden kämpft, schwingt genau die richtige Menge Unschuld mit, um glaubwürdig zu wirken. Ellie ist klug, lustig, mitfühlend und stark. Das macht sie für mich zu einem der stärksten Videospielcharaktere überhaupt, der ich jede ihrer Handlungen und Äußerungen bedingungslos abkaufe. Besonders in den Momenten, in denen sie auf Überbleibsel aus einer ihr unbekannten Welt trifft.
Für mich gipfelt „The Last of Us“ in einem Ende, das perfekt zum Spiel passt. Es ist nicht episch, es gibt keine Explosionen, keine epische Musik. Es ist ein leises Ende, das zum Nachdenken anregt. Über uns, das Leben und die Geschehnisse im Spiel. Ich jedenfalls kann es kaum erwarten, in The Last of Us Part II ein Wiedersehen mit Ellie zu feiern und abermals in die intensive postapokalyptische Welt von Naughty Dog einzutauchen.