„The Outer Worlds“ ist das letzte Spiel von Obsidian Entertainment, bevor es endgültig unter der Microsoft-Flagge weitergeht. Die Macher von klassischen Rollenspielen wie „Pillars of Eternity“ und dem überdrehten „Fallout: New Vegas“ für Bethesda schlagen mit ihrem Science-Fiction-RPG eindeutig in die Fallout-Kerbe, ohne jedoch einen stumpfen Abklatsch zu liefern. Doch entspricht das Ergebnis auch den hohen Erwartungen der Genre-Fans? In The Outer Worlds ist die Zukunft längst Gegenwart. In einer fernen Zukunft landet ihr nach einem unfreiwillig verlängerten Kälteschlaf in einer weit entfernten Galaxie, die die Menschheit einst kolonisierte. Doch etwas ist faul in Halycon, denn offenbar plant ein Konglomerat der an der Kolonisierung beteiligten Großkonzerne, die schöne neue Welt mitsamt aller Arbeiter im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis zu legen. Der Fortbestand der Kolonie liegt fortan in euren Händen, und nur mit moralisch einwandfreien Entscheidungen werdet ihr sie nicht retten können. Doch ihr seid nicht auf euch allein gestellt, sondern zieht gegen marodierende Taugenichtse, fiese Riesenspinnen und andere Aliens mit tatkräftiger Unterstützung in die Schlacht. Was ist schon ein totes Vieh oder ein Mord im Vergleich zu einer rosigen Zukunft? Doch auf dem Weg zum Ziel gibt es etliche Alternativen, viele Kämpfe und noch mehr teils absonderliche Begegnungen. Ob „The Outer Worlds“ mit seinem Ansatz dem großen Vorbild „Fallout“ das Wasser reichen kann oder eher verzichtbar ist, erfahrt ihr in unserem Test. Der eigene Weg zum Ziel In „The Outer Worlds“ ist das Ziel der Rettung der Kolonie und ihrer Bewohner von Beginn an klar. Damit ihr die einzelnen Planeten, Handelsschiffe oder auch bewohnten Asteroiden besuchten könnt, müsst ihr zunächst jedoch die entsprechenden Landeberechtigungen erhalten. Ihr könnt also nicht von Beginn an überall hin, habt auf dem Weg zum Finale jedoch mehr oder weniger freie Hand, ob ihr eure Ziele friedlich erreicht oder notfalls über Leichen geht. Dabei geht es, ganz im Stil der Quests in „Fallout“, sowohl um moralische Entscheidungen als auch um optionale Zugangswege. Infiltriert ihr einen Schweinemastbetrieb beispielsweise heimlich durch den Hintereingang oder ballert ihr einfach munter das Wachpersonal nieder, indem ihr durch den Haupteingang geht? Den Chef jener Wurstfabrik könnt ihr im anschließenden Gespräch überzeugen, kurzerhand töten oder bei entsprechenden Hacking-Fähigkeiten sein gesamtes Vermögen an eure Auftraggeberin transferieren. Diese Freiheit zieht sich in „The Outer Worlds“ durch das gesamte Abenteuer, in den großen Hauptquests findet ihr sie genauso wie bei den Begleitermissionen oder den Fraktionsaufträgen, in denen ihr euch besonders gut (oder eben nicht) mit den zehn Großkonzernen stellen könnt, die im Halycon das Sagen haben. Die Konsequenzen eurer Handlungen verändern die Spielwelt selbst dabei eher selten gravierend. Tatsächlich könnt ihr etwa in Edgewater, einer der ersten Siedlungen, die ihr im Spiel betretet, sogar dann noch die Grabgebühren für einen Auftraggeber eintreiben, nachdem ihr euch dazu entschieden habt, Edgewater die Lebensgrundlage zu entziehen, indem ihr den Strom aus einer Fabrik an eine Fraktion von Abtrünnigen weiterleitet. Die Vielfalt der Entscheidungsoptionen ist dennoch beeindruckend und sorgt gerade auch im späteren Verlauf dafür, dass wir uns wirklich als aktiver Teil dieser Spielwelt fühlen. Mehr als ein Fallout-Klon Obgleich „The Outer Worlds“ nicht zuletzt bei der recht statischen Inszenierung der Dialoge stark an Fallout 3 oder das von Obsidian entwickelte Fallout: New Vegas erinnert, gibt es einige wesentliche Unterschiede. Unter anderem fallen die Kämpfe aus der First-Person-Perspektive deutlich shooterlastiger aus. Sie spielen sich entsprechend allgemein dynamischer und hebeln eure Aktionen allenfalls dezent durch irgendwelche RPG-typischen Zufallsberechnungen aus. Wer den Kopf anvisiert, trifft ihn hier auch. Ein VATS-System gibt es in „The Outer Worlds“ nicht, dafür jedoch eine Fähigkeit namens Zeitdilatation, was praktisch ein Zeitlupenmodus im Kampf ist. Die Fähigkeit besitzt ihr aufgrund des Kälteschlafs – damit erklärt Obsidian ohnehin zahlreiche irrationale Dinge im Spiel. Während ihr die Zeitverlangsamung nutzt, könnt ihr zwar keine einzelnen Körperteile anvisieren wie mit VATS, dafür jedoch durch einen gezielten Schuss auf Augen, den Körperschwerpunkt oder die Extremitäten einen zeitbegrenzten Blendeffekt, ein Umreißen des Gegners oder auch eine Verstümmelung erzeugen, die menschliche Gegner oder Alienrassen entsprechend einschränken. Bedeutend in den Kämpfen ist auch das an sich optionale Begleitersystem, bei dem ihr bis zu zwei Mitstreiter mitführt. Habt ihr die entsprechenden Skills in der Kategorie Führung mit den Lernpunkten der Stufenaufstiege ausreichend aufgewertet, dürft ihr Spezialattacken befehlen, die Gegner umwerfen oder, wie im Fall des elektrisch aufgeladenen Hammerschlags von Helferin Parvati, besonders gegen Roboter effektiv ist. Simpel und doch komplex Die Charakterentwicklung des wahlweise männlichen oder weiblichen und leider generell stummen Helden wirkt eher simpel, ist aber letztlich doch sehr komplex. Ihr verteilt Punkte auf Grundfähigkeitenkategorien wie Nahkampf, Dialog- oder Techfähigkeiten, denen jeweils zwei bis drei spezielle Skills zugewiesen sind. Erhöht ihr anfangs mit jedem der 10 Skillpunkte pro Stufenaufstieg alle innerhalb einer Untergruppe, müsst ihr ab einem Wert von 50 jede Kategorie einzeln steigern. Hinzu kommen Perks, die die maximale Tragfähigkeit erhöhen oder die Dauer von negativen Statuseffekten abmildern. Spannend, aber am Ende eher unbedeutend: Werdet ihr beispielsweise in einem Kampf oft von Gegnern geblendet, könnt ihr im Austausch mit einem zusätzlichen Skillpunkt einen Malus akzeptieren. Müsst ihr zwar nicht, ansonsten gibt es die Perkpunkte aber nur bei jedem zweiten Stufenaufstieg – auch für die Begleiter, bei denen ihr euch genauso wie bei euch stets um die besten Waffen und Rüstungsteile bemühen solltet. Modifizieren und, ähnlich wie mit Verbrauchsgütern, Vorteile bei den Charakterwerten erwirken, könnt ihr damit ebenfalls und somit höhere Werte bei Medizin oder Dialogkünsten erzeugen. Gut zu tun Das Angebot an Haupt- und Nebenquests, Fraktionsaufträgen, die besonders großen Einfluss auf euren Ruf und damit auch die Preise an den Verkaufsautomaten nehmen, oder Begleitermissionen fällt in „The Outer Worlds“ durchaus üppig aus. Ihr dürft allerdings nicht mit einem Umfangsmonster rechnen, denn wer will, kann die Hauptquest wohl auch innerhalb von 15 Stunden absolvieren. Gerade die kreativen Begleitermissionen, in denen ihr euch mit Vikar Max unter anderem auf einen kleinen Drogentrip begebt, sollte ihr euch dennoch nicht entgehen lassen. Durchschnittlich werden die meisten von euch wohl kaum mehr als 20 bis 25 Stunden bis zum Ende benötigen – aufgrund der vielen Entscheidungsoptionen lohnt sich ein zweiter oder dritter Durchgang aber allemal. Spannend ist zudem, dass ihr das etwas zu plötzlich kommende Ende, das zudem in einer eher groben Zusammenfassung eurer Entscheidungen mündet, stark beeinflussen könnt. So dürft ihr euch gegen euren Erwecker Wells wenden, dem ihr anfangs zwingend folgen müsst, und euch entsprechend den mächtigen Großkonzernen anbiedern. Erhöhen könnt ihr die Spielzeit auf den höheren Schwierigkeitsgraden. Im höchsten wir es aber nicht erheblich schwieriger, sondern ähnlich wie im Hardcore-Modus von „New Vegas“ vor allem aufwendiger, wenn ihr euch zusätzlich um ausreichend Schlaf und Nahrung kümmern müsst. Hübsch, aber mit langen Ladezeiten In „The Outer Worlds“ setzt Obsidian auf die Unreal Engine 4. Stilistisch gelingt dem Studio eine vielfältige Welt, die designtechnisch entfernt an Spiele wie No Man's Sky erinnert. Rein technisch gibt es allerdings Nachholbedarf, denn die Ladezeiten bei der bedingt komfortablen Schnellreise, beim Wechsel in eine neue Ladezone oder beim Laden eines älteren Savegames fallen mit gut 30 Sekunden durchschnittlich, zu lang aus – zumal Texturnachlader und Ähnliches dadurch nicht vermieden werden. Wie bereits angedeutet wirken die statischen Dialogszenen zudem veraltet und trotz der ausschließlich enthaltenen englischen Sprachausgabe nur bedingt lippensynchron. Immerhin gibt es nicht beim Betreten jedes Gebäudes einen Ladescreen, ganz so schlimm wie in „Fallout“ ist es also nicht. Auf PS4 Pro, Xbox One X und entsprechend leistungsfähigen PCs gibt es indes höhere Auflösungen (nativ 4K auf PC und Xbox One X, 1440p auf PS4 Pro) und HDR, wovon die visuelle Kulisse unterm Strich allerdings nur begrenzt profitiert.