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The Walking Dead: Season 3: Zwischen Potential und Cutscenes: Episode 4 im Test

Mit The Walking Dead: A New Frontier startete Telltale im Dezember 2016 in die dritte Staffel des beliebten Adventures. Wir haben uns die vierte Episode namens Thicker Than Water ganz genau angesehen und sagen euch in unserem Test, warum der Titel den Begriff "Spiel" zwar eigentlich gar nicht verdient hat, uns aber doch irgendwie packen konnte.

Fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass Telltales The Walking Dead erstmals über die heimischen Bildschirme flackerte und Episode für Episode die Herzen der Spieler gewann. Am 20. Dezember 2016 erschienen nun die ersten beiden Episoden der sehnsüchtig erwarteten dritten Staffel des Adventures. Die komplette Staffel inklusive aller fünf Episoden kostet 22,99 Euro und ist seit dem 25. April 2017 für PC, PlayStation 4, Xbox One und mobile Geräte erhältlich.

Was bisher geschah

Nach Lee und Clementine übernimmt in A New Frontier nun Javier die Rolle des Protagonisten. Einst wenig weitsichtiger Profi-Baseballspieler mit Glücksspielproblemen, zwingt ihn die plötzlich eintretende Zombie-Apokalypse, Verantwortung für seine Familie zu übernehmen. Vier Jahre und einige Schicksalsschläge später muss er sich mit Schwägerin Kate, Neffe Gabe und Neuzugang Clementine gegen die New Frontier, auf deutsch die Neue Grenze, behaupten, welche sich als weitaus gefährlicher als die lebenden Toten erweisen. Plündernd, mordend und scheinbar rücksichtslos tun sie alles, um das Überleben ihrer eigenen Truppe zu sichern. Die Situation spitzt sich zu, als sich Javiers verlorengeglaubter Bruder David als Anführer der tödlichen Gemeinde herausstellt. Loyalitäten werden auf die Probe gestellt, der einstige Familienzusammenhalt gerät in Gefahr.

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Ist Blut dicker als Wasser?

In Episode 4: Thicker Than Water vertieft sich der Konflikt nun noch weiter, auch wenn klar wird, dass die Grenze zwischen Schwarz und Weiß immer schwerer zu ziehen ist. Jede Gruppe der Überlebenden hat ihre subjektive Wahrheit und ist überzeugt, in dem Gegenüber den wahren Feind erkannt zu haben. Doch wer ist eigentlich Feind und wer Freund? Ist Blut wirklich dicker als Wasser? Unsere Gruppe gerät an ihre Grenzen, Allianzen müssen gebildet werden, denn die Neue Grenze stellt sich nun aktiv gegen sie und wir müssen uns entscheiden, wem wir vertrauen.

Obwohl wir uns die meiste Zeit in der Gegenwart befinden, gibt es auch immer wieder kleine interaktive Rückblenden, die uns vermitteln sollen, was die Charaktere zu ihrem jetzigen Handeln verleitet. So sehen wir Clementine immer wieder in der Rolle der Ersatzmutter für A.J., den kleinen Jungen, der in der zweiten Staffel geboren und kurz darauf zum Vollwaisen wurde und auch die Geschwisterrivalität zwischen David und Javier wird noch deutlicher. Obwohl es sich nur um kurze Szenen handelt, sind diese voller Inhalt und Emotionen und extrem wichtig, um die Charaktere verstehen zu können, die uns sonst oft wenig vertraut vorkommen. Besonders viel passiert nicht, dafür haben einige Ausschnitte aber so viel Kraft, dass sie uns schockieren, mitreißen und berühren – wenn auch nur für einen kurzen Moment.

Wenig überzeugendes Gameplay

Auch die für Telltale Games so charakteristischen Dialogoptionen sind natürlich wieder vertreten. Was sich früher aber natürlich anfühlte, da wir die Gespräche selbst auslösten, geschieht nun zum Großteil innerhalb von interaktiven Cutscenes. Nur ganz selten kommen wir wirklich selbst zum Zug und können Javier steuern, Objekte untersuchen und selbst entscheiden, mit wem wir reden wollen. Prominent sind mittlerweile auch die Quicktime-Events, die früher eher sparsam eingesetzt wurden und in denen wir zu bestimmten Zeitpunkten schnell in die geforderte Richtung ausweichen oder Q oder E drücken müssen. Sind wir zu langsam, sterben wir und müssen die Szene wiederholen. Etwa alle zehn Minuten gibt es für das Beenden eines Abschnittes eine Errungenschaft, was dem Sinn von Trophäen irgendwie widerspricht. Aber das ist noch das geringste Problem.

Die Grafik ist zwar im typischen Comicstil schön anzusehen, hat aber noch einige Schwierigkeiten. So sehen die Haare von nahem unglaublich künstlich aus und seit Episode drei durchziehen immer wieder dicke Balken, die von Javier auszugehen scheinen, den Screen. In Episode 4 ist dies teilweise so schlimm, dass der komplette Bildschirm schwarz ist. Dies geschieht zwar vor allem bei den Cutscenes, da diese aber den Großteil des Titels ausmachen, ist dieser Bug wirklich störend.

Charaktere mit unausgeschöpftem Potential

Die Charaktere sind zwar tendenziell gut gestaltet, ihnen fehlt es an vielerlei Stellen aber an Tiefe. Obwohl die Mannen von Telltale Games offensichtlich versuchen, den bisher eher negativ und aggressiv-pöbelnden David doch noch menschlicher wirken zu lassen, bleibt er ein Unsympath, den wir nur aufgrund der Familienbande ertragen. Still und heimlich wünschen wir uns trotz aller Verwandtschaft eine Gelegenheit, ihn im friendly fire von hinten niederstrecken zu können. Gabe hatte in den vorherigen Episoden mehrmals seine Momente, die uns Gutes ahnen ließen, fällt aber dann doch immer wieder in die Rolle des bockigen Teenagers zurück. Schwägerin Kate ist dafür ein Charakter mit deutlich mehr glaubwürdigen Emotionen, vor allem aber auch Ecken und Kanten, der richtig ausgearbeitet sogar als Protagonist funktionieren würde. Leider wird sie aber auf ihre Rolle als Frau und damit potentielle Liebelei reduziert.

Bleiben Javier und Clementine. Letztere ist immer wieder eine positive Überraschung, überzeugt aber eher in den kleinen Interaktionen, beispielsweise wenn sie Gabe subtil überzeugt, das Richtige zu tun oder sich um A.J. kümmert. Da sich alle The Walking Dead-Staffeln aber bisher immer um sie drehten, wollte das Team offenbar einen neuen Hauptcharakter etablieren und schenkte ihr weniger Aufmerksamkeit als aus der Sicht vieler Spieler klug gewesen wäre. Diese gilt nämlich voll Protagonist Javier, der zwar ganz sympathisch ist und ab und an überzeugt, aber die Fußstapfen seiner Vorgänger nicht annähernd ausfüllen kann. Als Sidekick hätte er sicherlich gut funktioniert, aber er schafft es einfach nicht die Story zu tragen.

Javier brilliert dafür in der Interaktion mit Kate und Clementine, was aber wie gesagt eher an den Frauen liegt, die genug Tiefe und Charakter vorweisen können. So bekommt Clementine während dieser Episode ihre Periode und wird von einem mindestens genauso überforderten Javier beraten und mit Hygieneprodukten ausgestattet. Eine liebenswerte Szene, die ein sehr authentisches Bild einer überforderten und unbeholfenen Vaterfigur zeichnet. Aber es ist einfach nicht genug, um uns wirklich begeistern zu können. Es wirkt, als habe Telltale Games sein Potential nicht annähernd ausgeschöpft und dadurch ein Produkt erschaffen, das zwar in Ordnung ist, aber nicht richtig zu überzeugen weiß, wie wir es von dem Entwickler eigentlich gewohnt sind.

Mehr interaktiver Film als Spiel

Allgemein scheint es, als habe sich Telltale Games zu sehr auf seine bisherige Stärke, nämlich die Story, verlassen. Mit etwa 75 Minuten Spielzeit ist die aktuelle Episode reichlich kurz und wenn man bedenkt, dass wir vielleicht zehn Prozent der Zeit aktiv herumlaufen, dafür sicherlich 30 Prozent der Zeit passiv zuschauen und der Rest mit interaktiven Zwischensequenzen und Quicktime-Events gefüllt wurde, fällt es schwer A New Frontier überhaupt als Spiel zu bezeichnen. Besonders die Quicktime-Events wirken sinnlos und scheinen mehr Alibi-Gameplay als alles andere zu sein.

Gut durchdacht ist dafür aber der Zeitdruck, der uns in drängenden Situationen zusätzlich unter Druck setzt und in Form eines roten Randes am Bildschirm visualisiert wird. Da wirkt eine Horde Walker gleich viel bedrohlicher, was das Spielgefühl deutlich authentischer macht und stärkt. Auch wenn unsere Entscheidungen wie gewohnt keinen großen Unterschied machen, ist es doch schön zu sehen, dass die Geschehnisse der vorherigen Staffeln in A New Frontier berücksichtigt werden. Wer in der Vergangenheit Kenny oder Jane den Rücken stärkte und nicht alleine blieb, wird hier mit Extra-Erinnerungen belohnt. Auch das Wiedersehen mit einem früheren Wegbegleiter ist möglich, hat bis jetzt aber keinen Einfluss auf die Entwicklung der Geschichte.

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