Das Jahr 1987: Während Ron Gilbert und Gary Winnick mit Maniac Mansion das Genre der Point & Click-Adventures aus der Taufe heben, ereignet sich eine Reihe mysteriöser Vorgänge in der Kleinstadt Thimbleweed Park, denen ihr im gleichnamigen Spiel auf den Grund gehen müsst. Endlich darf auch auf Nintendo Switch gezeigt und geklickt werden, wir haben uns die Umsetzung nicht entgehen lassen.
"The signals are strong tonight…"
Ein Leichenfund am Stadtrand versetzt die Bewohner von Thimbleweed Park in helle Aufregung. Oder würde es zumindest, wenn die Stadt nicht von merkwürdigen Figuren wie Sheriffs mit gespaltener Persönlichkeit oder Klempnerinnen in übergroßen Taubenkostümen bewohnt wäre, und so verpixelt die Leiche weiter vor sich hin. Die Frage nach dem Wie und Warum hinter dem Todesfall ruft die beiden Bundespolizisten Agent Ray und Agent Reyes auf den Plan, die den Fall aufklären sollen und als zwei der fünf Protagonisten des Spiels dienen. Wie in Maniac Mansion könnt ihr zwischen den verfügbaren Charakteren wechseln, von denen jeder ein eigenes Inventar mit Items besitzt. Später kommen noch weitere Figuren hinzu, die ihr zunächst in spielbaren Flashbacks kennenlernen dürft. Die Story hat ein paar faustdicke Überraschungen auf Lager, die hier selbstverständlich nicht vorweg genommen werden sollen.
Wie in frühen Point & Click-Adventures erfolgt die Steuerung über einen Pointer auf dem Bildschirm, am unteren Bildschirm befinden sich links die Aktionsverben, über die ihr mit einfachen Klicks auf "Schau an", "Nimm" oder "Rede mit" euren Charakteren Befehle erteilt. Rechts daneben ist das grafische Inventar, in dem sich alle mitgenommenen Gegenstände befinden. Statt einer Maus benutzt ihr auf der Nintendo Switch den Analogstick, um den Cursor auf dem Screen zu steuern und wählt mit dem A-Knopf eine Aktion oder ein Objekt aus. Natürlich könnt ihr auch einen einzelnen Joy-Con benutzen, wenn ihr wollt. Der Pointer reagiert einen Ticken überempfindlich, was aber nicht weiter tragisch sein soll, wenn ihr euch einmal verklickt. Sackgassen oder Bildschirmtode gibt es keine, es wird sogar explizit euer Forscherdrang beim Lösen der Rätsel gefordert.
Fahrt ihr mit dem Cursor über eine Figur oder einen Gegenstand, mit dem ihr interagieren könnt, leuchtet eins eurer Aktionsverben auf. Mit dem B-Knopf startet ihr direkt die jeweilige Aktion, sie ist aber nicht immer der richtige Schritt zu des Rätsels Lösung. Mit den Richtungsknöpfen unter dem linken Analogstick lässt sich direkt zwischen mehreren Auswahlmöglichkeiten hin- und herschalten, wie den möglichen Antworten in einer Unterhaltung. Mit L und R schaltet ihr alle Hotspots auf dem aktuellen Bildschirm durch, die beiden Trigger lassen euch zwischen den Charakteren durchschalten. Am komfortabelsten spielt sich Thimbleweed Park aber immer noch im Handheld-Betrieb, indem ihr euren Zeigefinger als Mausersatz auf dem Touchscreen verwendet. Wahlweise auch unter Verzicht jeglicher herkömmlicher Controller, nur mit der Konsole selbst in den Händen.
Jeder Charakter führt ein Notizbuch mit sich, in dem alle noch zu erfüllenden Ziele aufgelistet sind. Damit verliert ihr auch nach Unterbrechungen nicht den Überblick darüber, was ihr noch mit welchem der Protagonisten machen müsst. Genre-typisch müsst ihr bei der Lösung der Rätsel etwas um die Ecke denken, ein Holzscheit in einem Kamin zum Beispiel wird auf äußerst unkonventionelle Weise angezündet. Die Entwickler haben mit einem Hint-System dafür vorgesorgt, falls ihr partout an einem der Puzzles scheitern solltet. Überall in der Spielwelt sind Flyer für eine Hotline mit Tipps verstreut, die ihr dort an stationären Telefonen oder mit einem klobigen Mobiltelefon (Hey, es waren nun mal die späten Achtziger und Smartphones mit Internet waren höchstens ein Wunschtraum!) anrufen könnt. Wie immer gilt die alte Faustregel, dass ihr alle nicht niet- und nagelfesten Items einstecken solltet, sie könnten später von Gebrauch sein.
Augenzwinkernde Selbstbeweihräucherung
Optisch könnte Thimbleweed Park als Nachfolger von Maniac Mansion durchgehen, mit absichtlich nach LoFi aussehender Grafik in Pixel-Retro-Chic. Dank flüssiger Animationsphasen und zahlreicher Gesichtsausdrücke wirken die Figuren sehr dynamisch, trotz der eher simpel aussehenden Technik. Nicht zuletzt liegt das auch an der gelungenen Charakterisierung des Casts. Persönlichkeiten wie Delores, die so gerne Spielentwicklerin bei MMucusflem Games werden will und der ständig fluchende Kotzbrocken Ransome, der ausgerechnet Clown von Beruf ist, wachsen einem auf ihre Weise sofort ans Herz. Gleiches gilt für die Hintergründe im Spiel, die sehr abwechslungsreich ausgefallen sind. Von runtergekommenen Abwasserkanälen über eine prachtvoll eingerichtete Villa bis hin zu einem grellen Zirkusplatz haben die Designer viel Kreativität bewiesen.
Sämtliche Dialoge sind in englischer Sprachausgabe vertont, die Puristen auf Wunsch in den Optionen deaktivieren können. Passend dazu lässt sich auch eine extra blockige Schriftart togglen, die für noch ein wenig mehr Retro-Gefühle sorgt. Sämtliche Texte liegen auch auf Deutsch vor, eine deutsche Tonspur gibt es aber nicht. Für die deutsche Übersetzung von Thimbleweed Park ist Boris Schneider-Johne verantwortlich, der bereits mehrere klassische Adventures von LucasArts eingedeutscht hat. Wie in Monkey Island 2: LeChuck's Revenge, müsst ihr euch zu Beginn zwischen zwei Schwierigkeitsgraden entscheiden, Casual und Hard Mode. Casual richtet sich an erster Linie an Leute, die noch nie ein Point & Click-Adventure gespielt haben und entfernt mehrere Rätsel komplett. Hard wäre also eher als Normal zu bezeichnen, ihr seid an eure Auswahl gebunden und müsst ein neues Spiel starten, wenn ihr doch lieber den anderen Schwierigkeitsgrad einstellen wollt.
Im Laufe des Spiels eröffnet Entwickler Terrible Toybox ein regelrechtes Trommelfeuer aus Anspielungen, nicht nur auf Popkultur im Allgemeinen, sondern insbesondere auf die SCUMM-Adventures der Herren Gilbert und Winnick. Auch ein paar Seitenhiebe auf die Titel von Sierra aus der selben Ära hat man sich nicht nehmen lassen. Nicht von ungefähr kommen einem Sandy und Dave aus dem örtlichen Imbiss bekannt vor und wenn ihr mit Namen wie Maniac Mansion, Monkey Island oder Zak McKracken etwas anzufangen wisst, werden euch bei Ransomes Auftritt im Zirkus einige bekannte Gesichter auffallen. Schon im ersten Spielabschnitt ist ein besonderes Item versteckt, das Adventure-Experten über das das ganze Gesicht grinsen lässt. Viele dieser Anspielungen erfolgen in kürzester Zeit hintereinander und könnten Uneingeweihten auf die Nerven gehen, deswegen lassen sie sich ebenfalls in den Optionen deaktivieren.
Bei allem Charme hat die bewusst altmodische Grafik auch den einen oder anderen Nachteil. Je nachdem, wie weit euer Charakter vom Vordergrund entfernt ist, desto kleiner erscheinen auch die sonstigen Objekte in dessen Umgebung. Das kann für Frust sorgen, wenn ihr gerade auf der Suche nach bestimmten Items seid. Die Sprachausgabe hat einen etwas blechernen Klang und es ist gelegentliches Knistern zu hören, vermutlich wegen der Kompression des Datenvolumens. Jedoch sind die Effekte und der Soundtrack nicht davon betroffen und tun der Atmosphäre keinen Abbruch. Man muss nicht die Adventures von LucasArts im Schlaf kennen, um Thimbleweed Park genießen zu können. Das Team um die beiden Altmeister Ron Gilbert und Gary Winnick beweisen, das auch mittlerweile überholte Technik und Spielmechaniken immer noch an den Bildschirm fesseln können.