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Tomb Raider: Eine Legende wird geboren – Unser Test

Der Serien-Reboot der Tomb-Raider-Reihe kommt deutlich düsterer und brutaler daher und schickt die junge 21-jährige Lara Croft auf eine mysteriöse Insel auf der sich die angehende Archäologin mit allerhand fiesen Kultisten herumärgern muss. Wie viel Tomb Raider in dem neusten Teil tatsächlich noch steckt, erfahrt ihr in unserem Test.

Noch leicht benommen nehmen wir langsam unsere Umgebung wahr, ehe uns bewusst wird, dass sich kein fester Boden unter unseren Füßen befindet. Ganz im Gegenteil, denn wir hängen gefesselt und kopfüber in einigen Metern Höhe über dem Erdboden. Einen allzu großen Handlungsspielraum haben wir nicht. Das Einzige, was wir machen können, ist uns an vergangene Kindheitstage erinnern und – ähnlich wie damals die Schaukel – das Seil zum Schwingen zu bringen. Erst jetzt bemerken wir, dass Lara nicht die Einzige ist, die sich hier hängen lässt. Allerdings sehen die anderen Zeitgenossen so aus, als würden sie hier schon etwas länger abhängen. Nach mühsamen Sekunden haben wir endlich genug Schwung aufgenommen und stoßen den Kollegen neben uns unsanft gegen eine an der Wand befestigte Fackel. Schnell entzünden sich die trockenen Seile und kurz darauf brennt unser Nachbar lichterloh. Die perfekte Gelegenheit unsere Fesseln ebenfalls in Flammen zu setzen. Kurzum: Der Plan funktioniert, nur leider etwas zu gut. Nachdem die letzte Faser des Seils den Kampf gegen die Flammen verloren hat, schlagen wir hart auf dem felsigen Boden der Höhle auf und bohren uns unter mitleidserregendem Stöhnen seitens Lara eine verrostete Metallstange in die Seite.

Jung und naiv

Bereits der Einstieg zeigt ganz deutlich, dass das neue Tomb Raider keinesfalls zimperlich mit seiner Heldin umgeht. Bereits im Vorfeld zeigten uns erste Trailer Laras Kampf ums nackte Überleben und die neu angepeilte Richtung der Serie. Denn anstatt eine erwachsene Lara Croft zu spielen, steuern wir in dem Serien-Reboot die 21-jährige Version der bekannten Actionheldin und dürfen miterleben, wie aus der verängstigten jungen Frau die taffe und durchsetzungsfähige Archäologin wurde, die wir heute kennen.

Kaum aus der Uni raus, lockt Lara die Abenteuerlust. Eine Expedition auf der Suche nach dem verschollenen Volk der Yamatai soll die ersehnte Anerkennung bringen. Doch anstatt das Abenteuer zu suchen, findet das Abenteuer sie. Nach einem heftigen Sturm bricht das Schiff entzwei und die wenigen Überlebenden der Crew stranden vor der Küste einer mysteriösen Insel. Mit letzter Kraft befreit sich Lara aus den Fluten und sieht sich dem größten Abenteuer ihres Lebens gegenüber. Verängstigt und mit den Nerven total am Ende muss sich die junge Frau nicht nur mit ihrem Schicksal arrangieren, sondern sich auch gegen die hiesigen Inselbewohner zur Wehr setzen. Doch Selbstmitleid ist nicht. Vielmehr heißt es in Bewegung zu bleiben und die restliche Crew der Endurance zu finden. Was es mit den rätselhaften Stürmen auf der Insel und den fiesen Kultisten, die nach unserem Leben trachten, auf sich hat, verraten wir an dieser Stelle selbstverständlich nicht. Nur so viel: Tomb Raider ist deutlich düsterer und brutaler als die vorherigen Teile, weswegen es weniger verwundert, dass der aktuelle Ableger eine USK-18-Wertung verpasst bekommen hat.

Tatsächlich bekommen wir die explizite Gewaltdarstellung früh im Spiel mit, müssen regelmäßig mit unserer Heldin mitfiebern und drücken bei nahenden Gefahren verkrampft auf unsere Tasten. Die Identifikation mit der Titelheldin funktioniert also schon mal, na da kann doch eigentlich nicht mehr so viel schief gehen, oder?

Jein, denn Tomb Raider könnte man zwei mehr oder weniger große Kritikpunkte vorwerfen, die dem einen oder anderen Fan sauer aufstoßen lassen wird. Denn besonders die im Vorfeld groß angepriesene Entwicklung der jungen Frau zu der taffen Actionheldin lässt einige Fragen offen und kann leider nur bedingt überzeugen. Während Lara zu Beginn, um Schutz zu finden, noch verängstigt ein Lagerfeuer entzündet und mit der Situation vollkommen überfordert scheint, bleibt eine weitere spürbare Entwicklung nach ihrem ersten Kill aus. Zwar heult und schluchzt  sie noch hier und da (Ich hasse Gräber!), während sie anderswo gerade ein ganzes Dorf in Schutt und Asche legt, einer Horde Kultisten das Fürchten lehrt und im Vorbeigehen noch schnell das Rätsel um die Insel löst. Zweifel oder Schuldgefühle scheinen sie allerdings nicht mehr zu plagen. Der hier entstandene Kontrast ist einfach zu groß, als dass man die Entwicklung nachvollziehen könnte. Klar, bleibt einem Titel wie Tomb Raider deutlich weniger Spielraum als beispielshalber einem Buch mit mehreren Hundert Seiten, um eine wirklich nachvollziehbare Charakterentwicklung zu beschreiben. Trotzdem hätte man den Bruch zwischen dem ersten und dem zweiten Drittel weniger offensichtlich darstellen sollen und viel deutlicher aufzeigen müssen, was für eine immense Belastung es für Lara bedeutet, einen Menschen zu erschießen.

Improvisationstalent

Das heißt allerdings keineswegs, dass die Story schlecht sei oder Miss Croft eine unsympathische Göre wäre, denn dem ist mitnichten so. Wir leiden regelmäßig und aufrecht mit unserer Spielfigur und fühlen jede Verletzung, als wären wir selbst im Spiel und müssten uns mit einem gewaltigen Hechtsprung vor einem Kugelhagel hinter einer Säule in Deckung bringen. Dabei überzeugen vor allem die sehr gut gelungene akustische Untermalung sowie die englische Synchronstimme von Lara, die von Camilla Luddington verton wird. Wobei sich auch die deutsche Sprachausgabe keineswegs verstecken muss, obwohl die eine oder andere Stelle im Spiel noch etwas mehr Gefühl hätte vertragen können.

Die zu Beginn noch recht wehrlose Lara teilt im Spielverlauf nicht nur ordentlich aus, sondern kann ihre insgesamt vier Waffen sogar upgraden und verbessern. Erlegen wir zum Beispiel ein Reh, finden einen versteckten Schatz oder schicken unsere Gegner möglichst einfallsreich in das Jenseits, sammeln wir fleißig Erfahrungspunkte. Diese können wir dazu verwenden, um an einem der vielen auf der Insel verteilten Lager bestimmte Eigenschaften auszubauen oder zu verbessern. So finden wir in Zukunft mehr Munition bei erlegten Feinden oder erhöhen unsere Ausbeute bei Frachtgutkisten. Mit letzterem dürfen wir unsere Waffen verbessern, um so die Magazinkapazität oder den Schaden zu erhöhen. Mit etwas Glück lassen sich sogar Waffenteile finden, aus denen wir eine neue und bessere Version der vorherigen Knifte fertigen dürfen. Als besonders praktisch hat sich unsere Anfangswaffe in Form eines Bogens erwiesen, mit dem sich nicht nur leise und unbemerkt auf die Jagd gehen, sondern auch ein flammendes Inferno veranstalten lässt. Darüber hinaus kommen im Laufe des Spiels weitere hilfreiche Extras zu unserer Ausrüstung hinzu, wodurch sich später sogar ein Seil an einen Pfeil binden, lässt um eine provisorische Brücke zu errichten. Cool ist auch die Möglichkeit per Axt an porösen Steilwänden empor zu kraxeln und die Landschaft dabei zu genießen.

Sammelspaß für zwischendurch

Zwar könnten die entfernten Texturen schärfer sein, trotzdem weiß Tomb Raider in grafischer Hinsicht auf ganzer Linie zu überzeugen. Besonders die Schatten- und Lichteffekte in Höhlen tragen einen Großteil zu der düsteren Stimmung bei und erfreuen das Entdeckerherz in uns. Wobei die Insel in Sachen Grabkammern und alten Katakomben eher weniger zu bieten hat als in vorherigen Teilen. Wir dürfen uns zwar hin und wieder auf Schatzsuche begeben und einige Kopfnüsse lösen, das alte Tomb-Raider-Feeling blitzt dabei jedoch nur sehr selten hervor. Trotzdem ist der Spaß durchaus vorhanden, uralte Mechanismen in Gang zu setzen und antike Reliquien zu bergen. Das Hauptaugenmerk wurde bei Tomb Raider allerdings auf die Story und die Protagonistin gelegt. Das Erkunden von Grabkammern ist dabei eher optionaler Natur und dient mehr als kurze Aufgabe für zwischendurch.

Dass es die mysteriöse Insel faustdick hinter den Ohren hat, merkt Lara spätestens, als die erhoffte Rettung in Form eines Flugzeuges unsanft durch zahlreiche Blitzeinschläge vom Himmel geholt wird. Eine Flucht scheint also nicht drin zu sein. Wir müssen wohl oder übel noch ein wenig an diesem Ort verweilen. Nur blöd, dass die Solarii, ein Haufen moderner Kultisten, die eine rätselhafte Sonnengöttin anbeten, nicht wirklich gewillt sind mit sich reden zu lassen und eigene finstere Pläne verfolgen. Da es die Jungs nicht lernen, muss die junge Frau also mal wieder Klartext reden und ordentlich austeilen.

Neben der Handlung und Laras Entwicklung machen die Gefechte mit den Bewohnern der Insel den größten Teil der 10- bis 15-stündigen Spielzeit aus. Ganz ähnlich wie Nathan Drake in dem Action-Adventure Uncharted bekommen wir es mit ganzen Horden fieser Schergen zu tun, die scheinbar sämtliche Manieren vergessen haben und nicht mal davor zurückschrecken, eine Frau zu schlagen. Im Gegenteil: Die Kuttenträger teilen sogar erstaunlich hart aus und scheinen mehr als nur eine Buddel an Zielwasser getrunken zu haben. Da kommt das neu eingeführte Deckungssystem uns gerade recht. Allerdings müssen wir nicht aktiv in Deckung gehen, sondern müssen uns dieser nur nähern und Lara schmiegt sich automatisch an niedrige Mauern, Bretterverschläge oder Holzfässer. Trotzdem sollten Hobby-Archäologen ein und dieselbe Deckungsmöglichkeit nie allzu lang in Beschlag nehmen. Vielmehr heißt es immer in Bewegung zu bleiben, ansonsten sieht sich Lara zu Beginn ihres noch aufregenden Lebens schneller ihrem Ende nahe, als es ihr lieb ist.

Nicht nur, dass Wasserfässer durch einige Gewehrsalven schneller durchlöchert sind als ein Schweizer Käse. Auch die gemeinen Brandpfeile und Dynamitstangen der Eingeborenen verwandeln eine Holzbarrikade zügiger zu einem Haufen Asche als dass wir Mist rufen und unseren Hintern in Sicherheit bringen können. Da empfiehlt es sich umso mehr, ordentlich Bergungsgut zu sammeln und seine Waffen zu upgraden. Besonders in den hitzigen und sehr schnellen Gefechten ist es wichtig, die Umgebung im Blick zu halten und die Waffen regelmäßig zu wechseln. Dank der sehr guten und präzisen Steuerung haben wir Lara jederzeit bestens im Griff. Wo die Kämpfe gegen die recht gute KI in Teilen sehr knifflig sind und schon auf der Stufe Normal eine Herausforderung darstellen, hätten wir uns mitunter gewünscht, weniger Munition zur Verfügung gehabt zu haben. Als Überlebende auf einer Insel erscheint es das eine oder andere Mal doch ein wenig seltsam, fast zu jeder Zeit vollbewaffnet durch das Unterholz zu laufen und ständig auf Munitionskisten zu stoßen. Sind die Bleispritzen mal leer, bedienen wir uns einfach unseres Bogens, dessen Pfeile so gut wie überall zu finden sind.

Haben wir mal genug von der Story und möchten uns eine kurze Pause gönnen, haben wir jederzeit die Gelegenheit per Schnellreisesystem bereits besuchte Lager anzusteuern, um beispielshalber noch nicht entdeckte Orte wie Grabkammern zu erkunden. Für Sammelwütige lassen sich Kisten mit Strandgut sowie Geocache-USB-Sticks finden oder Schatzkisten plündern. Durch überall auf der Insel verteilte Tagebücher lassen sich hilfreiche Informationen über die Inselbewohner in Erfahrung bringen. Allerdings sind zu Beginn noch längst nicht alle Abschnitte betretbar und verlangen zuvor bestimmte Ausrüstung, wie den Seilbogen.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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