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Total War: Warhammer: Fantasy-Epos goes Echtzeitstrategie

Man nehme einen Klassiker der Tabletop- und Pen&Paper-Fantasywelt, mische ihn mit einem nicht minder etablierten Echtzeitstrategiespiel und bewundere das Meisterwerk? Wir gut der Mix der beiden Urgesteine der Spielegeschichte wirklich funktioniert, haben wir einmal unter die Lupe genommen und lassen Total War: Warhammer dabei nicht nur auf seinen Bezug zur Vorlage, sondern auch auf seine Einsteigerfreundlichkeit untersuchen. Dies ist unser Test zum neusten Teil von Total War!

Bei Ulrics Wut und Sigmars Hammer!

Echtzeitstrategie – ein Genre, welches ich lange Zeit gemieden habe. Ein Spruch des Ladebildschirms von Total War: Warhammer, entwickelt von Creative Assembly und herausgebracht unter der Herrschaft von Sega macht auch direkt klar, wieso. Um einmal die Stirländer, ein kleines hobbitartiges Volk aus der Welt des Warhammer Fantasy-Universums zu zitieren: Schnelles Denken führt zu schnellen Fehlern. Ganz nach dieser Prämisse habe ich bisher immer einen weiten Bogen um alle Ableger der Total War-Reihe gemacht, auch wenn Strategiespiele, Titel wie die Civilisation-Reihe oder Heroes of Might and Magic genau die Spiele sind, die schon vor über zehn Jahren meine Liebe zu Computerspielen entfacht haben. Wieso also gerade jetzt damit anfangen?

Ganz einfach: Weil Warhammer auf dem Titel steht! Anders als viele andere Redakteure der Branche ist es nämlich genau das, was mich an diesem Spiel reizt. In der Fantasy-Welt von Warhammer bin ich schon lange zu Hause, klassisch, mit Stift und Papier. Mit meiner Pen&Paper-Gruppe habe ich beinahe alle Länder im Hoheitsgebiet des Imperiums bereist, kann inzwischen nicht mehr zählen, wie oft wir dabei von der Inquisition, Goblins, Skeletten oder Ausgeburten des Chaos selbst gejagt wurden oder uns in scheinbar ausweglosen Situationen wiedergefunden haben. Mit Total War: Warhammer bot sich mir also gleich eine doppelte Chance: Sowohl den Zugang zur Echtzeitstrategie finden, als auch als mächtigster Imperator nun endlich den Spieß umzudrehen und dieses Mal das Chaos in den hintersten Winkel der alten Welt zu jagen.

Kurz vorab: Diese Voraussetzungen braucht ihr, um das Spiel flüssig bei guter Grafik bewundern zu können: 

  • Betriebssystem: Windows 7 oder höher (64 Bit)
  • Prozessor: Intel Core i5 4570 (3,2 GHz)
  • Arbeitsspeicher: 8,0 GByte
  • Grafikkarte: AMD Radeon R9 270X / Nvidia Geforce GTX 760 @ 1080p
  • DirectX: Version 11 (ein Patch für die Unterstützung von DirectX 12 wurde kurz nach Release nachgeliefert)
  • Speicherplatz: 35 GByte
     


Etwas mehr Chaos, bitte!

Umso überraschender kam es, dass das Chaos, wohl eine der wichtigsten Fraktionen in Warhammer, lediglich DLC-Inhalt ist. Zwar, nach gehörigem Aufschrei der Spielerschaft, ein kostenloser, aber die wichtigste und bedrohlichste Fraktion dieser Welt nicht von Anfang an ins Spiel zu implementieren erscheint ein wenig befremdlich. Dafür überrascht Total War mit der Differenziertheit der anderen vier Gruppierungen des Spiels, denn sowohl das Imperium, als auch Zwerge, Vampire und Orks erfordern jeweils eine völlig andere Spielweise, die sich grundlegend von den anderen abhebt. Genießen wir so zum Beispiel mit dem Imperium die ruhige Zeit zwischen zwei Schlachten, so müssen wir als Spieler der orkischen Einheiten vor allem darauf achten, dass diese Atempausen nicht zu lang werden. Ganz die primitiven Bestien, wie man sie gemeinhin im Fantasygenre kennt, schätzen es die grünhäutigen Krieger keineswegs, wenn ihnen zu lange kein Feind unter die Klinge kommt und fangen deshalb kurzerhand an, sich gegenseitig zu zerfleischen. Vampire wiederum zeichnen sich in ihrer Spielweise vor allem durch die Abwesenheit von Fernkampfeinheiten aus, was grundlegend andere Taktiken und Herangehensweisen an Schlachtabläufe erfordert und den einen oder anderen General vor große Herausforderungen stellen dürfte. Genau wegen diesen empfiehlt es sich vor allem auch, des öfteren einmal manuell zu speichern. Zwar sichert das Spiel euren Fortschritt vor wichtigen Kämpfen beispielsweise automatisch, vor allem aber Neulingen sei ans Herz gelegt, selbstständig mehrere Zwischenspeicherstände anzulegen. Denn Fehler werden euch immer wieder passieren und auch wenn diese selten von gravierender Natur sind, lässt sich so eine allzu hohe Frustrationsrate vermeiden. 

Rechts um – wie ging das noch gleich?

In der Rolle des frisch gekrönten Imperators Karl Franz starten wir in die Kampagne des Spiels und finden uns in Altdorf wieder – umzingelt von feindlichen Fraktionen. Das Chaos, ohne DLC zwar nicht spielbar, jedoch als NPC-Fraktion vorhanden, korrumpiert Länder und Regionen um uns herum, marodierende Orkbanden streifen durch die Nachbargebiete und wäre dies nicht schon genug, machen uns auch Abtrünnige aus den eigenen Reihen die Herrschaft zur Hölle. All dies wird uns in einem Tutorial erklärt, das auf die Grundzüge und Mechaniken des Spiels aufmerksam macht, wobei wir uns gern ein bisschen mehr Tiefgang gewünscht hätten, vor allem was die Steuerung unserer Einheiten angeht. Zwar werden die wichtigsten Schaltflächen und Funktionen der Steuerung und Navigation erklärt, sämtliche Feinheiten, die Total War-Veteranen bereits bekannt sein dürfen, haben wir erst nach zig Schlachten und dem Durchforsten einiger Youtube-Videos herausgefunden.

Hat man jedoch erst einmal herausgefunden, welche Optionen das Kampfsystem von Total War: Warhammer zu bieten hat, konnten wir gar nicht mehr genug von den Schlachten bekommen, was vor allem auch der KI in diesem Spiel anzurechnen ist. Anders, als man es von anderen Spielen mit Schlachten und NPC-Aufgebot in diesen Dimensonen kennt, leistet diese sich nämlich erfreulich wenige Patzer auf dem Schlachtfeld und handelt regelrecht taktisch. Lassen wir unsere Fernkämpfer zum Beispiel abseits vom Kampfgeschehen zurück und fokussieren uns mit unserer Haupteinheit ganz aufs Schlachtgetümmel, kann es durchaus passieren, dass sich eine Truppe aus dem gegnerischen Schlachtenverbund löst und unsere Schützen zielsicher ins Visier nimmt. Dieses Ausmaß an Logik erfreut uns und auch bei den diversen Belagerungen werden wir nicht von der KI enttäuscht. Weder tätigt der Computergegner unkluge Ausfälle, noch lässt er sich mit Ablenkungsmanövern großartig aus dem Konzept bringen, die breiten Straßen in den belagerten Städten sorgen weiterhin dafür, dass es in diesen sowohl für uns als auch den Gegner genug Raum zum Kämpfen und manövrieren gibt. An diversen Wänden hängen bleibende oder anderweitig festgebuggte Einheiten sehen wir auf unseren Schlachtzügen erfreulich selten.

Ganz schön windig, diese Schlachtfelder

Was wiederum ein wenig enttäuscht, ist die fehlende Variabilität der Schlachtfeld- und Belagerungskarten. Ein paar Hügel, ein wenig Wald, vielleicht einmal ein brennendes Gebäude – mehr Vielfalt ist uns bisher auf den Schlachtfeldern des Imperiums nicht begegnet. Auch die Festungsmauern unseres Gegners scheinen lediglich zwei Anordnungen zu kennen: Geradlinig oder mit einer rechtwinkligen Mauerecke.
Dagegen sehr gut gefallen an den Kämpfen hat uns die Planungsphase, die man als Aggressor zugeschrieben bekommt. Wie bereits erwähnt, als weniger Echtzeit- sondern mehr Strategiefans ist das Vorausplanen von Schlachten für uns schon immer ein wichtiger Aspekt gewesen, den wir so in einem Total War vielleicht nicht unbedingt erwartet hätten. Hat man einmal herausgefunden, wie sich Truppendichte, Ausrichtung, Breite der eigenen Reihen und Gruppenzuweisungen variieren und benutzen lassen, die gegnerische Mannschaftsstärke und Aufteilung der Einheiten ein wenig mit einberechnet und sich dem entsprechend eine Strategie zurecht gelegt, läuft der nachfolgende Kampf beinahe wie von selbst. Nicht einmal gerieten wir an die Grenzen sehr großzügig anberaumten Timers.

Weiterer Bestandteil der Schlachten und Belagerungen ist der Aspekt der Magie, welcher in der Warhammer-Welt anders funktioniert, als man es von anderen Fantasy-Abenteuern gewohnt sein dürfte. Einzige Quelle magischer Fähigkeiten sind hier die Winde der Magie, auf die jeder Zauberkundige angewiesen ist und die bestenfalls als unbeständig zu bezeichnen sind. Anstelle aus eigenen Reserven zehren wir beim Gebrauch von magischen Fähigkeiten von dieser Quelle, gemeinsam mit unserem Gegner. Folglich führt dies dazu, dass die sich nur sehr langsam regenerierende Magiequelle recht schnell aufgebraucht wird und jeder Einsatz von Übernatürlichem gut überlegt sein will. Diese im ersten Moment eher unübliche Spielmechanik schafft es dabei überzeugend, die generelle Nutzung von Magie im Warhammer-Universum zu verdeutliche, denn dort ist sie vor allem eins: Verteufelt unzuverlässig und funktioniert eher in der Ausnahme als im Regelfall so wie sie sollte.

Meine Stadt, meine Provinz, meine Rüstung

Ein wenig verwirrend und wenig intuitiv erschien uns auf den ersten Blick jedoch das Stadt- beziehungsweise Provinzmenü. Zwar wird sehr übersichtlich angezeigt, über welche Funktionen und Boni die einzelnen Gebäude auf den unterschiedlichen Ausbaustufen verfügen, Faktoren wie Bevölkerungsüberschuss und Korruption erscheinen uns zu Anfang jedoch ein wenig befremdlich. Der Korruptionswert steigt, aber was genau können wir dagegen tun? Das Tutorial sagt uns, dass gewisse Gebäude dagegen helfen, aber wir haben keinen Bauplatz mehr frei. Also was tun? Steuern ausschalten wäre wohl die einzige Möglichkeit – nur wo nehmen wir dann das Geld für unsere Truppen her? Die Ökonomie und das Mikromanagement mag Total War-Veteranen vielleicht simplifiziert vorkommen, totale Neulinge hingegen dürfen nicht erwarten, alle Spielmechaniken vorgekaut und auf dem Silbertablett serviert zu bekommen.

Was wir aber serviert bekommen, sind Kampagnenschlachten. Erreicht der von uns gewählte General ein bestimmtes Level, schalten sich diese nach und nach frei und belohnen uns nicht nur mit Gold, sondern auch mit den mächtigsten Ausrüstungsgegenständen des Spiels, die unseren Helden mächtige Boni verleihen und neben den zugegebenermaßen recht simpel gehaltenen Fähigkeitenbäumen der Generäle für einen hohen Wiederspielwert auch innerhalb derselben Fraktion sorgen. Als Warhammer-Fantasyanhänger fragen wir uns jedoch an dieser Stelle, wieso man im Zuge der Kampagnenschlachten nicht ebenfalls ein wenig Lore aus dem Warhammer-Universum zum Spiel hinzugefügt hat. Genug davon gäbe es nämlich allemal. Sei es nun eine historische Schlacht, eine Begegnung mit einer bedeutenden Persönlichkeit der Geschichte der Alten Welt oder mit einer der diversen Gottheiten – die wir, nebenbei bemerkt, komplett vermisst haben. An dieser Stelle wird Total War der Vorlage nicht gerecht. Dem Spielspaß an sich tut dies aber nicht allzu weh und dürfte lediglich Kennern der Vorlage auffallen.

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