Uncharted: The Lost Legacy bedient sich bei den Stärken des Vorgängers und besticht durch eine beeindruckende Grafikkulisse, eine perfekt passende Sounduntermalung und viel Liebe zum Detail. Doch anstatt wiederholt auf Nathan Drake als Protagonist zu setzen, weht mit den beiden Power-Frauen Chloe Frazer und Nadine Ross frischer Wind durch das Action-Adventure. Ob die Story da mithalten kann, lest ihr in unserem Test der Standalone-Erweiterung.
Neuer Held, neues Abenteuer
Spätestens seit Videospiel-Ikone Lara Croft sollte klar sein, dass weibliche Helden genauso viel auf dem Kasten haben, wie ihre männlichen Kollegen. Und trotzdem sind Frauen in Videospielen noch immer in der Unterzahl.
Während die Uncharted-Reihe mit Protagonist Nathan Drake von Beginn an einen waschechten Vorzeigehelden als Zugpferd hatte, der quasi eine Mischung aus Lara Croft und Indian Jones darstellt, schlagen die Entwickler von Naughty Dog mit der Standalone-Erweiterung Uncharted: The Lost Legacy einen neuen Weg ein.
Ihr schlüpft darin in die Rolle der Schatzsucherin Chloe Frazer, die gemeinsam mit Nadine Ross auf den Spuren ihres Vaters wandelt, der Archäologe war. In Indien machen sich die beiden Frauen auf die Suche nach dem legendären Stoßzahn von Ganesha, sind bei diesem Unterfangen allerdings nicht alleine.
Expedition in Indien
Nadine Ross dürfte Serienkennen aus dem vorherigen Ableger Uncharted 4: A Thief’s End ein Begriff sein. Nach dem Tod ihres Vaters, übernimmt sie die Söldnertruppe Shoreline und begibt sich als Gegenspielerin von Nathan Drake auf die Suche nach dem Schatz von Herny Avery und der verschollenen Piratenkolonie Libertalia. Chloe hatte ihren ersten Auftritt in Uncharted 2: Among Thieves, später gab es in Uncharted 3: Drake’s Deception ein Wiedersehen.
In Uncharted: The Lost Legacy bestreitet sie ihr erstes eigenes Abenteuer und macht dabei eine wirklich gute Figur. In Bezug auf das Bewegungsrepertoire steht sie Nathan Drake in nichts nach und klettert, knobelt und kämpft genauso gut, wie der damalige Uncharted-Protagonist. Wer die vorherigen Teile gespielt hat, dürfte sich in wenigen Minuten mit der Steuerung vertraut gemacht haben und sich pudelwohl fühlen. Einschränkungen gibt es hier nicht, per Kletterhaken und Co. werden auch die steilsten Feldwände emporgekraxelt. Gelegentlich darf auch getaucht werden, um den Blicken der wachsamen Gegner zu entfliehen, nur um diese kurzdarauf in bester Sam Fisher-Manier aus dem Wasser auszuschalten. Ist das kühle Nass mal fern, eignet sich hohes Gras wunderbar für gut getimte Nahkampfangriffe, damit die Kollegen auch ja nichts mitbekommen.
Chloe macht eine verdammt gute Figur
Insgesamt spielen sich die Action-Passagen genau wie im Vorgänger, sind allerdings deutlich seltener geworden. Chloe macht aber auch bei der Benutzung der unterschiedlichsten Waffen eine gute Figur und macht selbst mit stark gepanzerten Feinden kurzen Prozess.
Einen Unterschied gibt es allerdings zwischen Chloe und den Drakes. Ab und an lassen sich mit Chloes Haarklammern Schlösser innerhalb eines Minispiels knacken. Dieses Feature wirkt zu Beginn zwar ein wenig deplatziert und möchte nicht so ganz in den Titel passen, in brenzligen Situation, wenn keine Zeit ist, wird dadurch die Anspannung allerdings perfekt in die Höhe getrieben.
Ein Gesamtkunstwerk
Gefehlt haben die regelmäßigen Kämpfe allerdings überhaupt nicht, viel eher profitiert Uncharted: The Lost Legacy von dem ruhigeren Tempo, fordert dafür mit deutlich kniffligeren Rätseln. Erst später im Spielverlauf ziehen nicht nur die Action-Passagen stark an, auch die Handlung nimmt deutlich an Fahrt auf und behält einige nette Überraschungen bereit. Besonders kreativ fällt die eigentliche Story dennoch nicht aus und wirft oft nur mit den üblichen Klischees um sich, wie wir sie bereits aus den vorherigen Ablegern sowie anderen Genre-Kollegen wie der Tomb Raider-Reihe zur Genüge erlebt haben. Die Kombination aus Grafik, Sound, Animationen geben der Story allerdings trotzdem etwas Besonderes und vermischen sich zu einem absolut runden Gesamktkunstwerk.
Der Beginn einer engen Freundschaft?!
Viel interessanter ist aber das Frauengespann bestehend aus Chloe und Nadine. Beide sind grundverschiedenen und können sich zu Beginn überhaupt nicht leiden, merken aber nach und nach, dass sie nur gemeinsam ans Ziel kommen können. Da macht es einfach Spaß während der rund acht bis neun stündigen Handlung den Gesprächen der beiden zu lauschen und über die verschiedenen Ansichten und Herangehensweisen zu schmunzeln.
Während Chloe beispielhalber konzentriert versucht mit einem Dietrich ein Türschloss zu knacken, tritt Nadine diese ohne langes Zögern einfach ein. Dafür kann Chloe Nadine durch ihr schier unerschöpfliches archäologisches Wissen beeindrucken und dadurch das eine oder andere Rätsel lösen. Diese bestehen gerade zum Ende hin aus einigen ordentlichen Kopfnüssen, die es wirklich in sich haben, aber nie unfair ausfallen.
Augen offen halten
Anders als in Uncharted: The Lost Legacy sind wir in The Lost Legacy ausschließlich in Indien unterwegs, wodurch der Titel wie aus einem Guss wirkt, zu keiner Zeit werden wir herausgerissen. Überhaupt gibt es so gut wie keine Passagen, die unnötig in die Länge gezogen worden sind, um die Spielzeit in die Höhe zu treiben.
Wie in Uncharted 4 dürfen wir zu Beginn mit den Westghasts das größte frei begeh- bzw. befahrbare Areal der Seriengeschichte mit dem Jeep erkunden. Es obliegt euch, ob ihr lieber stur der Haupthandlung folgen möchtet, oder lieber genauer in der Landschaft umschaut, um Geheimnisse wie Schätze zu entdecken, die Extras freischalten. Wir empfehlen die Augen offen zu halten und auch mal den vermeintlich richtigen Weg zu verlassen. Dies lohnt sich allerdings nicht nur wegen der Schätze, sondern vor allem wegen der wunderschön gestalteten Spielwelt.
Noch immer von der beeindruckenden Grafikkulisse von Uncharted 4 verwöhnt, erhalten wir in The Lost Legacy genau davon mehr. Unzählige Male haben wir uns selber dabei ertappt, wie wir an einer Klippe stehend mit offenem Mund den atemberaubenden Ausblick in uns aufgesogen haben. Fast minütlich möchten wir am liebsten das sich vor uns erstreckende Panorama ablichten. Wie gut, dass es der Fotomodus aus dem Vorgänger auch in die Standalone-Erweiterung geschafft hat. Drücken wir beide Analogsticks des PS4-Controllers, frieren wir die momentane Situation quasi ein und bekommen zahlreiche Möglichkeiten, um diese aus dem bestmöglichen Winkel, unter perfekten Lichtverhältnissen zu verewigen und dann mittels der Share-Taste mit der Welt zu teilen.
Wir dürfen sogar die Gesichtszüge von Protagonistin Chloe verändern, um ihr beispielsweise ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Das geht super von der Hand, lässt wirklich schicke Fotos entstehen und demonstriert eindrucksvoll, wie viele Details und wie viele Arbeit Naughty Dogs in den Titel gesteckt hat.
Hinzu kommt, wie perfekt bestimmte Szenen durch passende Musik untermalt sind. Oft wissen wir schon, wenn diese im Hintergrund langsam anschwillt, dass wir kurz vor einer weiteren beeindruckenden Entdeckung stehen.
Multiplayer
Wer nach der erfolgreich abgeschlossenen Kampagne noch nicht genug hat, auf den wartet der Multiplayer. In Uncharted: The Lost Legacy habt ihr Zugriff auf das komplette Mehrspieler-Erlebnis von Uncharted 4 inklusive aller nach der Veröffentlichung erschienenen Erweiterungen. Zusätzlich darf sich auf eine frische Survival-Arena für ein bis drei kooperativ agierende Spieler gefreut werden. Hier müssen zehn Gegnerwellen, die sich dynamisch verändern und von Rundenmodifikatoren ergänzt werden, überstanden werden.