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WandaVision: Endlich wieder frischer Wind im MCU – Serienkritik

Nachdem das Marvel Cinematic Universe letztes Jahr im Kino noch eine Zwangspause einlegen musste, meldete es sich im Januar auf Disney+ in Form von WandaVision zurück. Da die Serie mittlerweile abgeschlossen ist, möchten wir uns an dieser Stelle nochmal ausführlicher mit ihr spoilerfrei auseinandersetzen und auf ihre Stärken sowie Schwächen eingehen.

Nach Endgame: WandaVision zeigt mehr vom neuen MCU

Die Geschichte der Serie setzt einige Zeit nach dem Ende von „Avengers: Endgame“ an und entführt uns in ein kleines verschlafenes US-Städtchen – in den 1950ern! Wanda und ihr Freund Vision scheinen eine Zeitreise gemacht zu haben, denn am Anfang sehen wir sie im Gewandt einer klassischen Sitcom ein scheinbar idyllisches gemeinsames Leben führen. Allerdings bekommt diese heile Fassade zusehends Risse.

„WandaVision“ zeigt uns jedoch nicht nur, wie es für das Paar nach dem Sieg über Thanos und dessen Armee weiterging, sondern gewährt uns auch einen Einblick in das neue MCU. Ohne hierbei zu viel verraten zu wollen, spielen sowohl Monica Rambeau, die Tochter von Captain Marvels bester Freundin, als auch die Organisation S.W.O.R.D., die sich um die Sicherheit der Erde sorgt, eine Rolle. MCU-typisch kommen dabei auch Steine ins Rollen, die erst in künftigen Projekten wirklich wichtig werden.

Wanda und Vision in ihrer Sitcom-Welt (© Marvel Studios)

Die Serie legt hierauf jedoch nicht ihren Fokus, denn sie fühlt sich innerhalb des Universums sehr eigenständig an. Zudem untermauert sie, dass Marvel Studios nach ziemlich formelhaft verlaufenden Filmen, die in den letzten Jahren erschienen sind, noch immer dazu bereit ist, kreative Risiken einzugehen. Dass dieses Experiment gelingt, liegt vor allem an der Hingabe der Macher, längst vergangene TV-Ären mit einer großen Detailverliebtheit erneut zum Leben zu erwecken. Von den Kameraeinstellungen über den Look bis hin zu den eingespielten Lachern stimmt hier einfach alles und führt den Zuschauer somit gekonnt auf eine falsche Fährte.

WandaVision: Ein Drama in Sitcom-Verkleidung

Obwohl sich ein Großteil der neun Episoden an bekannten Sitcoms der letzten 70 Jahre bedient, darunter etwa Klassiker wie „Verliebt in eine Hexe“ sowie neuere Ableger des Genres wie „Modern Family“, und in diesem Format teilweise großartig funktioniert, ist „WandaVision“ in Wirklichkeit sehr viel mehr ein Mystery-Drama, das sich lediglich als Comedy-Serie verkleidet.

Dies war ein riskanter Schachzug der Verantwortlichen, denn es gab durchaus Zuschauer, die nach den ersten Episoden teils harsche Kritik äußerten, da die „Sitcom“-Serie in vielerlei Hinsicht nicht wie ein Teil des MCU wirken würde. Dabei handelt es sich hierbei, obwohl es im ersten Augenblick so wirken mag, nicht um eine klassische Sitcom. Stattdessen nutzen die Macher dieses Genre, um das eigentliche Thema der Serie zu vermitteln: Die Ergründung von Wandas Trauer.

Wanda muss in „WandaVision“ viele Emotionen verarbeiten / © Marvel Studios

Nachdem sowohl Wanda als auch Vision in den bisherigen Kinofilmen nur Nebenfiguren waren und die Macher auf ihre Charakterentwicklungen lediglich bedingt eingehen konnten, sieht das in der Serie nun anders aus. Hier haben sie wesentlich mehr Zeit, die in den meisten „WandaVision“-Episoden auch hervorragend genutzt wird, um die Figuren zu ergründen. Wir sehen, wie Wanda sich in diese scheinbar heile Welt flüchtet, um ihrer Trauer entkommen zu können. Somit stehen im weiteren Verlauf der Serie dem heiteren Sitcom-Humor immer öfter düstere und zutiefst tragische Momente gegenüber, die emotional berühren können.

Dass all dies gelingt, liegt zu einem nicht unerheblichen Teil an den beiden Hauptdarstellern Elizabeth Olsen (Wanda) und Paul Bettany (Vision). Während sie in den Kinofilmen schauspielerisch eher bedingt gefordert wurden, können beide hier ihr ganzes Repertoire präsentieren. Sie haben gemeinsam nicht nur eine hervorragende Chemie, sondern auch ein gutes komödiantisches Timing. Des Weiteren vermögen sie es ebenfalls, die dramatischen Momente glaubhaft zu vermitteln. Das ist ihre Show, in der sie endlich zeigen dürfen, was sie wirklich können. Allerdings können selbst sie nicht über alle Schwächen der Serie hinwegtäuschen.

WandaVision: Mystery-Anteil ist Fluch und Segen zugleich

Die Verantwortlichen von Marvel Studios versuchen in ihrer ersten MCU-Serie, viele verschiedene Facetten in Einklang zu bringen, was ihnen über einen Großteil der Laufzeit sehr gut gelingt. Comedy und Drama halten sich meist gut die Waage und auch die Perspektivwechsel zwischen dem, was in der Sitcom-Welt und außerhalb davon passiert, sind interessant inszeniert. Außerdem führt „WandaVision“ früh Mystery-Elemente ein, denn es wird klar, dass Wanda eventuell doch nicht die totale Kontrolle haben könnte.

WandaVision Sitcoms
Obwohl es oft so wirkt, ist „WandaVision“ im Kern keine Sitcom (© Marvel Studios)

Dabei behandelt „WandaVision“ verschiedene Mysterien, die vor allem natürlich dazu da sind, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. Ausgehend von dem enormen Feedback in den sozialen Netzwerken sowie diversen Theorien, was tatsächlich vor sich gehen könnte, haben die Macher ihr Ziel auf jeden Fall erreicht. Es macht schlicht großen Spaß, sich zu überlegen, wie all diese verschiedenen Puzzleteile letztendlich zusammenpassen könnten. Hierin liegt jedoch auch eine Schwäche.

Zwischenzeitlich halten die Macher fast schon zu verbissen an dieser Mystery-Struktur fest und das, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. Sicher, es macht einen Reiz der Show aus, all diesen Dingen auf den Grund zu gehen und die Hingabe, mit der sie sich dieser Sache verschrieben hat, ist selten in großen Mainstream-Produktionen zu sehen. Allerdings geht dies ab und an zu Kosten des Pacings, denn einige große Enthüllungen sind beispielsweise lediglich Cliffhanger und kein Teil der eigentlichen Erzählung der jeweiligen Episode. Für eine noch emotionalere Story wäre hier eine gradlinigere Erzählstruktur vermutlich effektiver gewesen.

WandaVision: Endlich wieder frischer Wind im MCU

Weil die Verantwortlichen zudem viele Elemente in kurzer Zeit – die Episoden gehen zwischen 30 und 50 Minuten – abhandeln müssen, kommen dadurch Bestandteile von „WandaVision“ zwangsweise zu kurz. Diverse Figuren werden charakterlich kaum ausgebaut, etwa einige von Wandas Nachbarn. Doch auch spannende Thematiken, die viel Potential bergen, etwa die Frage, wer der eigentliche Bösewicht der MCU-Serie ist, können deshalb nur sehr oberflächlich verhandelt werden. Trotz dieser Defizite ist die Serie jedoch definitiv einen genaueren Blick wert.

WandaVision S.W.O.R.D.
Ihr solltet „WandaVision“ eine Chance geben (© Marvel Studios)

Nach all diesen Jahren, in denen Marvel Studios im Kino seine großen Blockbuster-Produktionen fast schon formelhaft inszenierte, weht nun nach längerer Zeit endlich wieder ein frischer Wind durchs MCU. Verglichen mit den bildgewaltigen Action-Spektakeln wie etwa „Avengers: Infinity War“ kommt „WandaVision“ über weite Strecken ohne Action aus und setzt mehr auf Atmosphäre, Rätsel und Emotionen, um die Zuschauer zu fesseln. Ein heikles Unterfangen, das trotz kleinerer Schwächen aufgeht und definitiv Lust auf die 4. Phase des MCU macht.

Sven Raabe

Anime-Liebhaber, Dragon Ball-Fan auf Super-Saiyajin Blue-Level, Videospiel-Enthusiast mit einem Hang zu Action-Adventures und abgedrehten Hack'n'Slays. Außerdem Sith-Lord (oder vielleicht doch Jedi?) mit einer Schwäche für DC- und Marvel-Adaptionen.
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