Regisseur Steven Spielberg, der Schöpfer von höchst erfolgreichen Filmen wie „Schindlers Liste“, „Jäger des verlorenen Schatzes“ und Jurassic Park“, war der Meinung, dass das weltweit erfolgreiche Musical West Side Story eine neue Kinoadaption benötigt, da das Werk von Robert Wise und Jerome Robbins aus dem Jahr 1961 nicht mehr zeitgemäß sei.
Wir haben uns die modernisierte 2021er Version von „Romeo und Julia“ angesehen und verraten euch in dieser Kritik, warum Spielbergs Variante kaum Daseinsberechtigung hat, aber dennoch einen zweiten und auch dritten Blick wert sein kann.
West Side Story: Zur Handlung
In einem dem Untergang geweihten Viertel von New York der 1950er Jahre, zwischen Wäscheleinen und Captain-America-Flaggen, lebt die junge Puerto-Ricanerin Maria (Rachel Zegler), welcher ein Mann, den sie seit nicht einmal einen Tag kennt, deutlich wichtiger ist als ihre Familie und jegliche Vernunft.
Bei diesem Mann handelt es sich um Tony (Ansel Elgort), dem ehemaligen Anführer der Straßengang Jets, der sein altes Leben hinter sich gelassen hat und nun versucht, ein gesetzestreuer und vernünftiger Bürger zu sein. Nur schade, dass seine ehemaligen Freunde, unter der Führung seines besten Kumpels Riff (Mike Faist), diesen Weg noch nicht für sich entdeckt haben.
Stattdessen suchen sie aus rein rassistischen Gründen immer wieder Ärger mit den Sharks, einer Gang aus Zugezogenen, angeführt von Marias Bruder, dem Boxer Bernardo (David Alvarez). Singend und mit den Fingern schnippend hüpfen sie durch die Stadt, hauen sich gegenseitig die Köpfe ein und legen dabei noch eine heiße Sohle aufs Parkett.
West Side Story: Eine Kritik
Die Geschichte von West Side Story basiert im Großen und Ganzen auf William Shakespeares Romeo und Julia und war in den Tiefen seines Herzens bereits zum Release in 1957 hoffnungslos veraltet und litt an allen Ecken und Enden unter Logikfehlern, unausgereiften Figuren und teilweise lächerlichen Dialogen.
Unter Steven Spielberg hat sich daran absolut nichts geändert und seine Version von „West Side Story“ ist noch immer das Musical-Äquivalent zum Groschenroman. Seine Adaption der Geschichte hält sich im Gegensatz zu dem Film von 1961 zwar deutlich genauer an die Vorlage, ob es sich dabei aber wirklich um einen Pluspunkt handelt, ist diskutabel.
Denn dadurch hat er nicht nur all die Stärken übernommen, sondern auch die Schwächen des Musicals, für das Arthur Laurents das Buch geschrieben hat. Die Ausarbeitung der Figuren und ihre Beweggründe bleiben dementsprechend absolut oberflächlich und manch eine Szene ist so weltfremd und romantisiert, dass es schon weh tut.
Hier und dort hat sich Spielberg zudem einige Freiheiten erlaubt, die das Werk aber auch nicht in der Moderne ankommen lassen. In erster Linie deswegen, weil sie teilweise absolut lieblos in die bereits bekannte Mär hineingezimmert wurden, wie beispielsweise der Part eines Transgenders oder die neu eingeführte Rolle von Darstellerin Rita Moreno, die bereits in der ersten Verfilmung mitgespielt hat.
Die Lieder, die naturgemäß einen großen Teil des Films ausmachen, sind absolute Geschmackssache und wer die originalen Stücke mag, wird in Spielbergs Version kaum einen Ansatz für negative Kritik finden. Solltet ihr mit der Musik des Musicals jedoch nichts anfangen können, werdet ihr auch in der 2021er Version nicht positiv überrascht.
West Side Story: Technisch einwandfrei
Die negativen Punkte in Sachen Handlung und Charakterausarbeitung überschatten also leider die positiven Aspekte im dramatischen Ausmaß und auch die Texte der Lieder lassen immer wieder zu wünschen übrig. Vor allen Dingen dann, wenn Klischees und Propaganda jegliche Logik in den Schatten stellen.
Doch es gibt auch positive Punkte, die Spielbergs Werk zugesprochen werden müssen und das nicht nur aufgrund der vielen hübschen Kostüme in denen viele hübsche Menschen stecken. So hat sich der Schöpfer von allerlei preisgekrönten Werken beispielsweise erfolgreich große Mühe beim technischen Aspekt des Films gegeben.
Außergewöhnlich ist bei seinen Bemühungen zum Beispiel der beeindruckende Wechsel zwischen gewöhnlichen Kulissen und einem Musical ebenbürtigen Bühnen, die sich je nach Situation verändern. So wird der Abstellraum hinter einer Sporthallentreppe zum romantischsten Ort der Welt und ein alter Sportplatz zum bezaubernden Parkett eines frisch Verliebten.
Generell ist „West Side Story“ von 2021 in mancher Hinsicht ein absolutes Meisterwerk, das seinesgleichen sucht. Die Kameraarbeit ist formidabel, um nicht zu sagen makellos, und viele clevere Ideen machen das Werk zu einem absoluten Hingucker, das dem Auge schmeichelt und die Gefühle sowie Gedanken der Figuren deutlich untermalt.
Die Choreografien sind wunderbar und wer sich für diese Form der Erzählkunst interessiert, kommt immer wieder auf seine/ihre Kosten, auch wenn es unabdingbar ist, hier nicht mit allzu viel Logik an die Sache heranzugehen. Die Leistung der beteiligten Darsteller ist durchgehend erstklassig, genauso wie ihre Tanz- und Gesangskünste. Doch es gibt dennoch Abstriche in der B-Note.
Denn wenn man zum Beispiel ohne rot zu werden behaupten darf, dass Hauptdarstellerin Rachel Zegler einen hervorragenden Job leistet und sich in Sachen Charisma irgendwo zwischen liebenswert und durchgehend überzeugend bewegt, dann muss man auch sagen, dass Hauptdarsteller Ansel Elgort den Charme von einem frisch gepellten Ei versprüht.
Unterm Strich ist Steven Spielbergs „West Side Story“ also ein unheimlich doofer Film, mit einer Handlung zum Fremdschämen und einer Charakterausarbeitung, die an dem Verstand der Schöpfer*innen zweifeln lässt. Aber es ist nichtsdestoweniger auch ein bildschönes Werk, mit vielen tollen Tanzeinlagen und einer erstklassigen technischen Herangehensweise.