Dass man auf der Suche nach einem guten Geschichtenerzähler beim Leben selbst bestens beraten ist, bläuen einem bekanntlich schon die ältesten Weisheiten ein. Auch Heldengeschichten der Wirtschaft haben sich dazu gesellt. Wohl bekannt ist dabei vor allem die des US-Giganten Apple. Im Schatten des Rivalen Microsoft stehend, ernteten die Kalifornier über Jahrzehnte hinweg Belächelung und Mitleid. Dem Kleinen im Business war im Kampf gegen den übermächtigen Gegner einfach Erfolg gegönnt. Nach den bahnbrechenden Zahlen der letzten Zeit ist es nun Microsoft, das sinnbildlich dumm aus der Wäsche schaut – und das nicht nur beim Börsenwert. Mit Windows 8 will man hier nun den verschlafenen Fortschritt im Smartphone- und Tablet-Bereich aufholen und opfert im gleichen Atemzug ein Stück Windows-Geschichte. Innovation oder Katastrophe?
Schon beim Stichwort Windows-Geschichte ist man in der laufenden Diskussion bestens am strittigen Punkt angekommen, denn langjährige Nutzer des Betriebssystems kennen dessen Hoch- und Tiefpunkte bestens. Besonders im Gedächtnis geblieben dürfte die Kritik am XP-Nachfolger Vista sein, das sich höchstens noch im optischen Bereich überall Freunde machte. Bei Themen wie der vom System beanspruchten Rechenleistung war die Stimmung 2007 schon getrübter. Umso mehr freuten sich sowohl Experten als auch praxisorientierte Alltagsnutzer über den Nachschub in Form von Windows 7, dem viel Anerkennung entgegen gebracht wurde und nach wie vor wird. Aus eigener Erfahrung stößt der Gedanke, Microsoft könnte mit einem Nachfolger an den Errungenschaften der aktuellen Version festhalten, daher wohl nicht unbedingt auf Widerstand. Überraschend kam daher die Meldung von Windows 8 – oder besser gesagt von dessen Konzept.
Dieses soll sich nämlich für heimische Rechner, Laptops, Tablets mit Touch-Bedienung und vergleichsweise kleinere Bildschirme wie Smartphones gleichzeitig eignen. Eine Aufgabe, die Fragen aufwirft, Verwunderung und Kritik auslöst. Scheinbar paradoxe Anwendungsschwerpunkte treffen demnach zusammen. Ob sich Microsoft die erfolgreiche Windows-Marke nur für einen gelungenen Einstieg im Portable-Bereich zunutze macht, lässt sich am besten durch eine Analyse der größten Veränderungen erfahren.
Ungewohnt anders: die Metrooberfläche
Wer bereits die Chance hatte, einen Blick auf die Release Preview von Windows 8 zu werfen, den überrascht nicht nur der ungewohnt anders aussehende Startbildschirm nach erfolgreichem Hochfahren. Statt wie in den letzten Jahrzehnten von einem Hintergrundbild, an dessen unteren Ende sich die Taskleiste befindet, begrüßt zu werden, sehen sich die Nutzer mit einem Feld aus Kacheln konfrontiert. Dort finden sich auch einige Programmschwerpunkte direkt zu Beginn wieder. So etwa die Stichworte Nachrichten, Mail, Videos oder Bilder. Schnell fällt auf, dass diese Bereiche im Vergleich zu den uns bekannten Icons vor allem viel Platz beanspruchen. Selbstverständlich kommt hier, wie auch überall sonst im Betriebssystem, die Leitidee der Touch-Bedienung zum Vorschein. Ein einfaches Icon? Das könnte manchem Daumen zu anspruchsvoll sein.
Leider kommt der Startbildschirm an sich recht statisch und trotz verschiebbarer Elementen wenig individuell daher. Auch von eigenen Einflüssen in Form eines eigenen Desktop-Hintergrundes muss man sich im Kachel-Bereich verabschieden. Fährt man mit der Maus über den rechten Bildschirmrand und begibt sich in die PC-Einstellungen, so kann man zwar Sperrbildschirm und Startseite modifizieren, kann sich aber nur durch eine Auswahl an Farbschemata und wenige Muster klicken. Zugegeben gilt dies nicht für den Sperrbildschirm – diesen bekommt man aber ohnehin kaum zu Gesicht.
Ebenfalls einsehen muss man, dass aufgewühlte Hintergrundbilder im Metro-Bereich ohnehin fehl am Platz sind, da durch die Häufung von Applikationen auf engem Bereich insbesondere zu Beginn die Navigation recht holprig verläuft. Im Übrigen hat sich Microsoft mittlerweile für eine Umbenennung der Oberfläche in Windows 8 Modern UI entschieden, was als umgangssprachlicher Begriff wohl wenig dient und vermutlich eher werbetechnisch die Krtik an der Metro verblassen lassen sollte. Nicht allzu verständlich, gibt sich die Oberfläche übersichtlich und wirkt nicht überladen, solange man nicht selbst weitere Apps hinzufügt.
Desktop – ein demontiertes Relikt
Ehe man sich den Apps des Windows-Stores weiter widmet, lohnt es sich die Verwunderung um den Verbleib des eigentlichen Desktops zu lösen. Auch diesen gibt es weiterhin, was viele aufatmen lassen dürfte. Allerdings darf man den Desktop nun fast schon als App abstempeln, da er auch nur über die Metro-Oberfläche zu erreichen ist.
Dass es sich nicht um ein vollwertiges Duplikat des alten Desktops handelt, erkennt man schon am Fehlen des bekannten Startmenüs. Ein Klick in die untere linke Ecke des Bildschirms teleportiert den Nutzer lediglich zurück zur Metro-Oberfläche. Dennoch führt das altbekannte Ordner-Icon in den Explorer, der auch Zugriff auf die verschiedenen Festplatten liefert. Trotz, dass es sich hier wie gewohnt navigieren lässt, schmerzt der Verlust des Startmenüs insbesondere im Hinblick auf die Nutzerfreundlichkeit.
Beispielsweise auch, weil die mittlerweile sehr gut ausgebaute Windows-Suche folgerichtig keinen Platz im Startmenü findet. Eine Suche hat sich unterdessen in Metro-Gefilden versteckt und konzentriert sich auf das Finden in Apps. Den Ordner meiner Guild-Wars-2 Installation finde ich hier nicht. Dafür nutze ich die Suche am oberen Fensterrand im Desktop-Explorer, wie man sie auch aus Windows 7 kennt. Diese wiederum findet meine Wikipedia-App nicht, da diese sich logischerweise im App-Bereich versteckt. So beweist Windows 8, dass hier zwei Welten parallel laufen. Das ist manchmal nervig, aber keine unüberwindbare Hürde. Nach einer gewissen Einarbeitungszeit findet man sich natürlich schneller zurecht.
Andererseits sind manche Schritte aufwendiger geworden. Allein das Herunterfahren des PCs vom Desktop aus führt über die untere linke Ecke in die Metrooberfläche, von dort aus an den rechten Bildschirmrand bis hin zum Klick auf die Einstellungen, wo dann das System letztendlich seinen verdienten Schlaf findet. Microsoft werden solche zwangsläufigen Konfrontationen mit der Metro-Oberfläche freuen, da vor allem den PC-Nutzern mit Sicherheit eine gewisse Verbindung mit dem Betriebssystem aufgezwungen werden soll. Das könnte sich nämlich auf die Marktanteile im Tablet- und Smartphone-Bereich auswirken.
Apps – Stärke und Schwäche der Windows-8-Generation
Glaubt man wiederum, dies auf sich nehmen zu können, weil der Verlust des absoluten Desktop-Bereichs nicht schmerzt, dann können Käufer von Windows 8 von einigen Highlights profitieren, die den Skeptischen verwehrt bleiben. Logisch, dass sich diese insbesondere im Metro-Bereich abspielen und ganz stark mit dem Stichwort Apps im Zusammenhang stehen – auch wenn die Release Preview nicht mit Vielfalt glänzt. Schon heute lässt sich aber erahnen, dass die Apps in Teilen ein ganz neues Gefühl der Usability spenden. Etwa beim Stichwort Wikipedia-App. Ähnlich wie beim neuen Reading-Modus von Microsoft Office 2013 setzen die Macher hier auf eine Spaltenansicht, sodass in die Seite gescrollt wird. Vom Nutzergefühl her ist dadurch eine stärkere Parallele zu Sachbüchern oder wissenschaftlichen Arbeiten gegeben. Zudem blenden sich Menüführung und Suche automatisch aus, sodass der Fokus voll und ganz auf das Thema gelegt wird. Man kann quasi in der Materie versinken.
Ähnliche Sympathien erweckt der Internet Explorer, der im Desktop-Modus durch die Taskleiste und die feste Menüführung am oberen Bildschirmrand Raum verliert. Im absoluten Vollbildmodus der entsprechenden App versinkt man hingegen regelrecht im Inhalt. Das kann natürlich auch mit Schwächen einhergehen. Wer nebenher Musik hört, wird so möglicherweise nicht auf neue Skype-Nachrichten aufmerksam, da das Blinken in der Taskleiste fehlt und der Ton neben den Bässen unterzugehen droht. Der Metrooberfläche fehlt auf dem PC also auch ein Stück des Gesamtüberblicks, wie man es von Windows 8 gewohnt ist.
Diesen Minuspunkt in den Apps hebelt Microsoft durch den Startbildschirm aus. Die Anordnung der verschiedensten Windows-Applikationen freut sich nämlich über ein Live-Feature. Die Mail-Kachel blendet ungelesene Post ein, Business-Interessierte heften sich relevante Aktienkurse in die Übersicht, während die Kontakte-App Neues aus der Welt von Facebook mit einem teilt. Im Übrigen ist das soziale Netzwerk ein Beispiel dafür, wie Microsoft von sich aus gewisse Dienste selbst in sein Betriebssystem integriert. Wer sich schon mal mit einer App über Android oder iOS über die Neuigkeiten seiner Freunde informieren wollte, kennt Look und Feel der typischen, offiziellen Facebook-App. Beim Kontakte-Bildschirm in Windows 8 dreht sich hingegen wieder alles um die Spaltenansicht. Posts ziehen sich zum Teil über die komplette Vertikale, die Navigation erfolgt hin zur Seite. Ein wahres Desaster für alle, die sich schon nicht mit der Chronik anzufreunden wagten. Dafür ist wiederum alles größer und eben voll auf Touch ausgelegt. Somit ist ein weiteres Beispiel für den Unnütz mancher Apps am Heim-PC gefunden, selbst sollte eine offizielle Facebook-App folgen. Vieles lässt sich eben auch über wenige Klicks im Browser erleben.
Gamer's-Paradise?
Wie üblich zählen zu den Apps natürlich auch Spiele sämtlicher Art, die manche schon von ihrem Smartphone oder Tablet kennen. Wie die Apps insgesamt zeigen auch die Games, wie PC-Nutzer von der Mobile-Komponente des OS profitieren. So kommt man etwa auch am Rechner in den Genuss kostenloser Software und Spielen wie Fruit Ninja. Zudem wächst mit steigender Verbreitung von Windows 8 auch hier das Angebot. Selbstverständlich dreht sich all dies vor allem um Casual-Games und weniger anspruchsvolle Titel. Battlefield-3-Zocker haben von diesen Highlights wenig und geben sich sicher auch mit einem Windows 7 zufrieden.
Auch sonst steht die Spieleindustrie Windows 8 in Teilen skeptisch gegenüber. Da wäre zum Beispiel Minecraft-Schöpfer Notch, der eine Portierung seines Indie-Hits für das Betriebssystem ablehnt und den PC als offene Plattform gefährdet sieht. Valve-Chef Gabe Newell sprach schlichtweg von einer Katastrophe. Bleibt abzuwarten, wie die Kompromisse von Spieleindustrie und Betriebssystem aussehen werden. Eines zeigt sich aber: Für Gamer und Technikbegeisterte lohnt sich Windows 8 nicht wirklich.
Ersteindruck von Thomas Wallus: Befriedigend
Nun bin ich sicherlich kein Hardware- oder Software-Experte – und doch habe ich ein gewisses, langjähriges Nutzerverständnis, kenne die Geschichte des Betriebssystems und seine Vor- und Nachteile im Vergleich etwa zum Betriebssystem meines Macbooks. Manchmal ist es eben das Bauchgefühl, das über den Kauf entscheidet. Bei diesem Stichwort schießt leider selbst einem Anti-Experten ein maues Gefühl in den Magen. Nachdem man eigentlich auf Windows 7 wartete, ehe dieses angekündigt wurde, und man sich endlich vollkommen wohlzufühlen begann, macht Microsoft einen Schritt in eine völlig andere Richtung und verabschiedet sich von einem Teil der gelungenen Usability, um sich selbst auf dem Mobile-Markt zu positionieren.
Um es kurz zu machen: Der heimische Rechner profitiert im Vergleich zu Tablets und Smartphones kaum bis gar nicht von Windows 8. Im Gegenteil: Viele Aktionen führen der Release Preview nach über zahlreiche Umwege, die Zeit und Nerven kosten. Natürlich sind die Apps in Teilen ein schöner Beigeschmack. Doch in Zeiten von Freeware, Programmen und Online-Lösungen des World Wide Webs sind die Apps kein großer Fortschritt, aber eben auch kein Nachteil. Ohne Frage: Wer seinen Rechner im Detail kennt, der wird sich auch in Windows 8 zurechtfinden. Dennoch scheint es, als zielten allein die vereinfachten PC-Einstellungen insbesondere auf ein weniger Technik-versiertes Lifestyle-Publikum ab, was nicht allen Zielgruppen genügen dürfte. In Zeiten, in denen Apps in dieser Art auf Smartphones und Tablets ein Zuhause gefunden haben, ist ohnehin unklar, ob es diese Komponente auch noch auf einem Gamer-PC braucht. Wir finden nicht und sprechen keine Kaufempfehlung für den PC aus. Zu stark ist Windows 7.