Artikel

Wolfenstein: The New Order: Der beste Shooter des Jahres?

Sind wir mal ehrlich: So richtig viel falsch machen kann man bei Solo-Shootern eigentlich nicht. Hauptsache es knallt, und zwar ordentlich. Exakt aus diesem Grund wird gerade dieses Genre mit Adleraugen begutachtet und vehement nach dem Teufel im Detail gesucht. Benimmt sich die KI anständig? Funktionieren die Waffen glaubhaft? Wie offen sind die Level? Kaum ein Genre wird so stark durchleuchtet, wie eben das der virtuellen Ballermänner. Dass uns dabei gerade so eine alte Klamotte wie Wolfenstein derart begeistert, ist schon fast ein Wunder. Bethesda und Machine Games neues Baby macht aber auch sehr vieles richtig und kann fast auf ganzer Linie überzeugen. Warum? Das verraten wir euch nun im Test.

Die Neugeburt eines Messias

Obwohl DOOM heutzutage als der erste Shooter überhaupt gesehen wird, stimmt das eigentlich gar nicht. ID Soft, die Macher des Bösen, haben nämlich bereits ein Jahr zuvor mit einem hierzulande indizierten Spiel, das zufällig auch Wolfenstein mit im Namen trägt, die technische Grundlage für ihren baldigen Durchbruch gelegt. Dabei war dies noch gar nicht der Start der „Böser Wolf“-Serie, die schon Jahre zuvor als Platformer begann. Ihr seht also, Wolfenstein begleitet die Spielewelt schon seit ihren Kindertagen. Leider in Deutschland immer auf dem Index. Das liegt ganz einfach am Kernelement des Shooters: Nazis. Verbotene Symbole, Österreicher mit komischem Schnauzbart und eine gehörige Portion Blut. Das war Jugendschützern schon in den frühen 1990ern ein Dorn im Auge. Die Debatte über diese zweifelhafte Politik verkneifen wir uns an dieser Stelle. Aber ja, Wolfenstein hatte es schon immer schwer. Kaum ein Teil blieb uns erhalten, immer wurde irgendwas gefunden, was eine Beschlagnahmung begründete.

Diesmal sollte alles anders laufen, haben sich Bethesda und das junge Studio Machine Games aus Schweden gesagt, als sie Wolfenstein: The New Order 2013 enthüllten. Der Masterplan: Die Inhalte soweit ändern, dass ihr Shooter in Deutschland durchgewunken wird, während die Gewalt voll erhalten bleibt. Und das tut sie! Der neue Wolf ist ein Shooter erster Klasse, mit viel Krach und Bumm und wenig Hemmungen, das ganze Blutbad in irgendeinem Rahmen zu halten. Finden wir gut? Oh ja!

Das Böse gewinnt

Bitte wundert euch nicht, dass wir hier nur über ein „Regime“ schreiben, wie die Nazis in der deutschen Fassung von Wolfenstein: The New Order genannt werden. Im Grunde wissen wir ja alle, wer diese „reinen Menschen“ aus Germania sind oder besser, wer damit gemeint ist. Zumindest haben eben diese fiesen Burschen in einer fiktiven Historie den Krieg gegen die Welt gewonnen. Mit der Hilfe von riesigen Robotern, Atombomben und einem wahnsinnigen Wissenschaftler namens Totenkopf. Im ersten der 16 Kapitel sehen wir den letzten verzweifelten Versuch der USA, den Terror aus Mitteleuropa zu stoppen. Auf einer Insel in der polnischen Ostsee soll die entscheidende Schlacht stattfinden. Wir übernehmen, wie schon immer, die Rolle von William „B.J.“ Blazkowicz, einem Elitesoldaten. Während uns die Steuerung erklärt wird, stolpern wir durch Schützengräben, eine Bunkeranlage und stürmen schließlich die Festung von General Totenkopf. Alles läuft nach Plan, bis uns die hässliche Visage in eine Falle lockt und wir seine ganze Grausamkeit zu spüren bekommen. Zwar kann Blazkowicz fliehen, nachdem wir uns zuvor für einen Handlungsstrang entscheiden mussten, doch ein Schrapnell trifft ihn am Hinterkopf und er fällt bewusstlos in die kalte Ostsee. Zwar eilen ein paar Fischer zur Rettung, aber mit dem 10cm langen Stück Metall im Hinterkopf verfällt Blazkowicz in ein Wachkoma, aus dem er erst 14 Jahre später wieder erwacht.

Szenenwechsel: Wir befinden uns in einer Irrenanstalt in Polen, die ganz untypisch für die Spielewelt sogar recht wohnlich scheint. Sogar die hübsche Schwester Anya scheint unserem Supersoldaten zu gefallen. Aber leider bleibt die Fröhlichkeit nicht bestehen, denn kurz nach einer sehr atmosphärischen Zwischensequenz erscheint das Regime und ballert alles in Grund und Boden. Es wird Zeit für B.J., sich wieder zu erheben. Das ist auch nötig, denn die ollen Deutschen haben sich bereits die ganze Welt unter den Nagel gerissen und feiern ihre faschistoide Diktatur. Da müssen wir auf jeden Fall mal die Machete tanzen lassen.

Ramba Zamba gegen das Nazi-Reich

Wolfenstein: The New Order ist ein Shooter, wie er im Buche steht. Mit einem übersichtlichen, aber durchschlagkräftigen, Arsenal an Krachmachern geht es in die Schlacht. Dabei fällt positiv auf, dass wir so gut wie alle Waffen wahlweise im Akimbo-Stil benutzen können. Egal ob tödliche Sniper, heftige Pumpgun oder flinkes Maschinengewehr: Wir haben nicht viele Waffen, aber sie reichen locker aus. Dabei orientiert sich Wolfenstein am klassischen Konzept. Anstatt immer nur eine Knarre dabei zuhaben, umfasst unser Inventar jeden Ballermann, den wir so finden. Dabei müssen wir aber nicht immer mitten in die Action stürmen. Zwei Kampfmesser sorgen, bei vorsichtigen Verhalten, für gekonnte Stealth-Einlagen, die auch ausreichend belohnt werden.

Wenn Blazkowicz nämlich von Kommandanten gesehen wird, schlagen diese Alarm, was sehr viele Gegner auf den Plan ruft. Intelligenter wäre es also, diese vorher lautlos auszuschalten. Zur Ortung können wir ihren Signalen folgen, die unser Headset empfängt. Schaffen wir es, die Kommandanten hinterrücks zu beseitigen, werden auf unserer Karte alle interessanten Orte des Levels markiert, wo wir Secrets finden können. Die Karten selbst sind immer irgendwo in den Räumlichkeiten zu finden, aber stets logisch platziert. Zusätzlich gibt es noch persönliche Briefe und Zeitungsausschnitte, die uns mehr über die Geschichte verraten. Das lässt uns noch tiefer in die Welt eindringen und hoffen, dass dieser Albtraum niemals Realität wird.

Die Kapitel an sich sind sehr offen gestaltet. Fast immer gibt es, wenn es denn Sinn ergibt, mehrere Wege, die man gehen kann. Oft lohnt es sich aber alles zu erkunden, alleine schon um mehr Rüstung und Munition zu finden. Auch Lebenspunkte regenerieren sich nicht wie aus Battlefield und Co. gewohnt automatisch, sondern müssen mit traditionellen Medipacks aufgefüllt werden. Lediglich bis zu 20-HP stellt Blazkowicz automatisch wieder her. Ein intuitives Perk-System verbessert unsere Werte. Dafür braucht es aber keine Skillpunkte oder Ähnliches, es müssen lediglich diverse Voraussetzungen erfüllt werden. Dies geht recht schnell, was natürlich etwas schade, aber kein Kritikpunkt ist.

In Sachen Gegner-KI ist Wolfenstein eher durchwachsen. Zwar kann sich die Schwierigkeit, die wir aus fünf verschiedenen Graden auswählen können, streckenweise sehen lassen und ist nicht zu verachten. Doch unser Kanonenfutter ist nicht immer die hellste Birne im Lampenladen. So suchen die Regime-Kämpfer gerne Deckung und schießen scharf. Dafür sind sie aber auch oft blind und gewinnen eher durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit. Wer echten Anspruch will, sollte also gleich auf der höchsten Stufe loslegen.

Seiner Zeit voraus

Zwar überzeugt Wolfenstein schon mit seiner gelungenen Gegnerauswahl, das wahre Highlight aber sind die neuen Supersoldaten des Regimes, die riesigen Roboter, die Panzerhunde und der ganze andere verrückte Kram, mit dem die Nazis den Krieg gewonnen haben. Schon von Anfang an wird klar, dass The New Order in einer alternativen Vergangenheit spielt – der Angriff im Prolog findet nämlich 1946 statt. Unsere Widersacher profitieren von einem riesigen Arsenal hochmoderner Kriegsgeräte, von denen wir uns wünschen, dass sie niemals real werden. Da bleibt kein Auge trocken, vor allem, da Machine Games in Sachen Kontrahenten-Design echt gute Arbeit geleistet hat. Aber auch die Charaktere des Shooters kommen allesamt sehr originell rüber. Egal ob Rambo Blazkowicz, die abgebrühte Widerständlerin Carolina, die durchgeknallte Regime-Befehlshaberin Frau Engel oder ihr Lustknabe „Bubi“. Die Figuren und ihre Dialoge sind frisch, streckenweise arg schwarzhumorig und überwiegend gut vertont. Die deutsche Synchronisation ist okay, könnte manchmal etwas euphorischer sein, aber überzeugt genug. Umschalten kann man wegen der Zensur eh nicht.

Unser Blazkowicz hat ein paar tolle Tricks drauf. Allen voran der Plasma-Schneidbrenner, mit dem wir uns durch allerhand Metall schmelzen können. Mittels Upgrades taugt das Teil auch gut als Waffe. So lassen wir nicht nur Kugeln sprechen, sondern lösen auch hin und wieder Physikrätsel, die entfernt an die Komplexität eines Half-Life erinnern. Generell ist jede Mission mit Extravaganzen vollgepackt. Sei es eine ausgetüftelte Mechanik, coole Dialoge oder eben eine taktische Vorgehensweise. Langeweile kommt bei The New Order nie auf und das Spiel weiß mit einigen Überraschungen aufzuwarten. Es gibt sogar nackte Haut zu sehen, wenn das für jemanden hier ein Kaufargument sein sollte!

Fest steht aber, dass Wolfenstein von vorne bis hinten Spaß macht und nicht auf diese eklig durchgeskripteten Schlauchlevel setzt, wie es viele andere Shooter leider immer noch machen. Es kann sogar passieren, dass wir den Weg zum Ende eines Kapitels auf Anhieb gar nicht finden und ungewollt auf Erkundungstour gehen müssen. Das passiert zwar selten, vor allem wenn man schon ein paar Stunden auf dem Buckel hat, es ist aber eben nicht dieser Touristenurlaub mit Erfolgsgarantie in unter vier Stunden. Da alleine durch die Entscheidung zu Beginn des Spiels ein wiederholtes Durchspielen lockt, kann die Spielzeit mit rund 20 Stunden schon überzeugen. Je nach Skill und Schwierigkeitsgrad natürlich. Dafür gibt es keinen Mehrspielermodus, was natürlich schade, aber am Ende besser ist. So konnten sich die Jungs und Mädels von Machine Games mehr auf die Story und das Level-Design konzentrieren, was sich auch gelohnt hat.

Was die Nazi-Zensur trübt, baut die Gewalt wieder auf. Wolfenstein: The New Order erschien ohne weitere Schnitte auch bei uns, was für einige Blutorgien sorgt. Blazkowicz hat schon ordentlich die Nase voll vom Regime und zeigt das auch offen, wenn er zum Beispiel die Kettensäge schwingt, genüsslich langsam Halsschlagadern durchtrennt oder den Kopf seines Gegners zwischen ein paar Rotorblätter schiebt. Wer zu viel Blut nicht ertragen kann, der hat’s nicht leicht in Wolfenstein.

Technik wider Willen

Genug der schönen Worte, Zeit für Kritik und auf technischer Ebene gibt es die zur Genüge. Allen voran sieht Wolfenstein eher mittelmäßig aus. Zwar können Detailgrad, Effekte und Aufmachung überzeugen, dafür sind unzählige Texturen ein einziger Matschhaufen. Das alleine wäre halb so wild, wenn The New Order zumindest gut laufen würde. Wolfenstein basiert auf der ID-Tech-5-Engine, die damals mit Rage ihren Einstand feiert und leider immer noch problembehaftet ist. Es sieht nicht wirklich nach Next-Gen aus, verlangt aber eben diese Hardware. Trotz moderner Rechner erlaubt sich das Spiel streckenweise FPS-Drops auf unter 10. Gerade AMD-Karten und Prozessoren haben wieder zu kämpfen. Wer also nicht gerade eine neue High-End-Kiste unterm Tisch stehen hat, muss die Grafik herunterdrehen. Das steht leider in keinem Verhältnis zur Konkurrenz. Trotz gerade mal durchschnittlicher Optik Performance-Ruckler? Geht gar nicht! Besser haben es da die Konsolen Xbox One und PlayStation 4 – da läuft nämlich alles superflüssig und sieht auch noch gleichwertig aus. Einen wirklichen Mehrwert in Sachen Grafik haben PC-Spieler also nicht, außer eben, dass viele Fans erst mal aufrüsten müssen, bevor sie die Regler nach oben schieben können.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"