Vor wenigen Tagen kam mit „Wolfenstein: Youngblood“ der neueste Ableger der fast 40 Jahre alten Spielreihe auf den Markt. Nachdem sich die Spielreihe bereits in den 2010ern neu erfunden hat, geht sie mit dem aktuellsten Titel nun abermals in eine differenzierte Richtung. Hier stehen Koop-Action, ein offenes Missionsdesign und eine ordentliche Charakterentwicklung im Vordergrund. Dafür blieben andere Spielelemente leider auf der Strecke. Warum und weshalb, erklären wir euch in unserem Test! In Wolfenstein: Youngblood ist Amerika von der Herrschaft des Naziregimes befreit worden, Grace Walker ist mittlerweile Chefin des FBI und der Protagonist der Wolfenstein-Reihe, William Joseph „BJ“ Blazkowicz, hat zwei schöne und schlagkräftige Zwillingstöchter. Eigentlich läuft der Kampf gegen die Unterdrücker aus Europa also wirklich gut, nur gibt es ein paar klitzekleine Probleme. Zum einen befindet sich der Rest der Welt noch immer fest im Griff des Hakenkreuzes, zum anderen wird BJ vermisst. Jessie und Zofia Zuletzt wurde der weltberühmte Widerstandskämpfer im besetzten Paris gesehen, wo er über Nacht verschwindet. Grund genug für Jessie und Zofia, seine wenig kriegserfahrenen Töchter, in die französische Hauptstadt zu reisen und sich dort dem Widerstand anzuschließen. Zu Beginn von „Youngblood“ habt ihr die Wahl, in die Haut einer der beiden Schwestern zu schlüpfen und die Nazis anschließend entweder mit Sturmgewehr oder Schrotflinte Blei schmecken zu lassen. Welche der beiden ihr wählt, hat auf den weiteren Spielverlauf sonst keinen Einfluss. Sowohl Jessie als auch Zofia zu steuern, und während des Spiels zwischen ihnen hin und her zu wechseln, ist nicht möglich. Die jeweils andere Figur wird von einem Freund übernommen, einem Fremden aus dem Netz oder der KI. Letztere sollte als Spielpartner jedoch mit Vorsicht genossen werden, da die künstliche Intelligenz eurer Schwester oftmals schwer zu wünschen übriglässt. Während des Tests ist es wiederholt vorgekommen, dass meine Partnerin starke Gegner einfach im Alleingang attackiert hat. Oder mich vor ihren Füßen verbluten ließ, obwohl es die Möglichkeit gibt, einen gefallenen Kameraden wieder auf die Beine zu helfen. Und mein Lieblingsaussetzer: die Schwester, die irgendwo im Nirgendwo herumirrt. Besonders angenehm, wenn zum Weiterkommen beide Charaktere anwesend sein müssen. Bestenfalls zieht ihr also mit einem Freund in die Schlacht, wofür jeder ein eigenes Bethesda-Konto benötigt. Sollte einer von euch die Deluxe Edition besitzen, kann der jeweils andere jedoch zum Mitspielen eingeladen werden, ohne selbst über eine Version des Titels zu verfügen. Habt ihr auch diese Möglichkeit nicht, könnt ihr immer noch ein offenes Spiel hosten oder per Schnelleinstieg einer fremden Sitzung beitreten. Das Matchmaking funktioniert in der Regel recht gut und ihr bekommt normalerweise einen ähnlich starken Mitspieler zugeteilt. Charakter- und Waffenfortschritte der Sitzung werden stets gespeichert und es ist jederzeit möglich einem Spiel beizutreten und dieses wieder zu verlassen. Natürlich ist ein Ausflug mit fremden Koop-Partnern deshalb eine Art Lotterie, denn es kann immer passieren, dass ihr wenig kooperative und kommunikative Kameraden erhaltet, die das Spielerlebnis durchaus trüben können. Typisch Wolfenstein? Die Tatsache, dass nun zwei Mädels die Reihen der Nazis unsicher machen und nicht mehr ein einzelner, griesgrämiger Supersoldat, ist nur eine von mehreren Änderungen zu vorangegangenen Titeln der Spielreihe. Doch keine Sorge: In seinen Grundfesten spielt sich „Wolfenstein: Youngblood“ wie ein typisches Wolfenstein. Ihr rennt, rutscht und springt durch die Gegnermassen, ballert euch die Seele aus dem Körper und lasst Blut und Körperteile in künstlerischer Perversion umherfliegen. Neu ist vor allen Dingen die Möglichkeit schleichen zu können. Eure sogenannte Motorrüstung ist sogar dazu in der Lage, die Schwestern für einige Augenblicke lang unsichtbar zu machen. Da die Entfernung von feindlichen Offizieren, die Alarm auslösen und somit Verstärkung in das Gebiet rufen, nun nicht mehr ordentlich auf dem Bildschirmrand angegeben wird, ist eine solche Option sehr nützlich, um Missionen nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Eine weitere Änderung sind Gegner, die über verschiedene Barrieren verfügen und nur mit einem bestimmten Munitionstyp erledigt werden können. Die Idee an sich ist ziemlich nett, an der Umsetzung hapert es jedoch gehörig. So müsst ihr mitten im Feuergefecht, oft umzingelt von zahlreichen Feinden, erst nachschauen, welchen Munitionstyp der gegnerische Schild verlangt und dann, welche Variante ihr selbst gerade geladen habt. Dadurch werden die Kämpfe natürlich taktischer und anspruchsvoller, aber an vielen Stellen gleichzeitig unübersichtlich und unnötig chaotisch. Einziges Trostpflaster ist hier, dass ihr fehlende Gesundheit und Rüstung nicht notwendigerweise aufsammeln müsst. Ein Daumen nach oben in Richtung eurer Partnerin sorgt neben einem aufmunternden Spruch zusätzlich für einen gehörigen Health-Boost. Level Up Neu ist zudem die Möglichkeit ordentlich zu leveln, beziehungsweise zu trainieren, wie es JuJu, die Anführerin des Pariser Untergrunds bezeichnet. Mit erledigten Missionen und ins Jenseits geschickten Gegnern erhalten Jessie und Zofia Fertigkeitspunkte und Silbermünzen, die ihr zur Charakterentwicklung und für Upgrades nutzen könnt. So erhaltet ihr neue Funktionen für euren Anzug, verbesserte Ausweichmanöver, zusätzliche Gesundheit und bessere Rüstung. Insbesondere die Möglichkeit, die eigenen Waffen zu verbessern, hat sich im Vergleich zu den Vorgängern deutlich verbessert. Während ihr bisher lediglich aus drei Aufsätzen pro Knarre wählen durftet, stehen euch nun fünf unterschiedliche Kategorien mit je drei Verbesserungsoptionen zur Auswahl. Außerdem leveln eure Tötungsmaschinen durch Abschüsse zusätzlich auf, was noch einmal Schadensboni zur Folge hat. In „Wolfenstein: Youngblood“ gibt es zudem das erste Mal in der Geschichte der Spielreihe einen Ingame-Shop, in welchem ihr gegen Echtgeld Goldbarren erwerben könnt. Mit diesen lassen sich neue Helme und Lackierungen für eure Motorrüstung kaufen. Die Angebote sind jedoch rein optischer Natur und verändern das Spielerlebnis in keiner Weise. Wo bin ich? Die Möglichkeit zu leveln ist in „Wolfenstein: Youngblood“ sehr wichtig, denn die offenen, teilweise wirklich großen Areale in dem Spiel unterhalten verschieden starke Gegner, die ebenfalls über einen Level verfügen. Viele Gebiete und Missionen könnt ihr zu Beginn überhaupt nicht absolvieren, da ihr bereits nach einem einzelnen Treffer solcher Feinde zu Boden geht. Um sich diesen Widersachern anzupassen, müsst ihr wohl oder übel die Stadt erkunden und Nebenmissionen abschließen. Das Ganze verfällt teilweise leider in ein zeitintensives Abfarmen von Erfahrungspunkten. Hinzu kommt, dass sich die Nebenquests nicht großartig voneinander unterscheiden und euch stets mit den gleichen Gegnertypen konfrontieren und immer wieder in bereits altbekannte Gebiete von Paris schicken. Das ist besonders schade, da die Stadt eigentlich sehr detailliert und liebevoll entworfen wurde. Doch schon nach wenigen Stunden hat man sich an ihr sattgesehen und läuft nur noch wie mit Scheuklappen durch die Straßen und über die Dächer. Hinzu kommt die nervtötende Unübersichtlichkeit, die immer wieder dafür sorgt, dass ihr nicht wisst, wo ihr seid, wo sich euer Ziel befindet und warum der Level-Designer der Meinung war, genau hier eine Sackgasse einzubauen. Im Dauertakt habe ich mich auf dem Weg zu einer Zielmarkierung verirrt und bekam bereits Bauchkrämpfe, wenn es erneut an der Zeit war, eine der (zum Glück wenigen) Untergrundpassagen zu betreten, die noch einen ganzen Batzen unübersichtlicher sind als der Rest von Paris. Zusätzlich ist die Stadt, welche nicht von Ungefähr oftmals an „Dishonored“ erinnert, erschreckend leer. Neben den bleispritzenden Schwestern und den patrouillierenden Nazis sind die Straßen verlassen. Keine Zivilisten verstecken sich im Dunkeln, keine Neugierigen blicken aus dem Fenster. Paris ist eine Geisterstadt. Stattdessen gibt es hier und dort lieblos platzierte Collectables und wenige Secrets.