Extrem mächtige, legendäre Umhänge mit etwas Zeitaufwand für jedermann? In Mists of Pandaria möglich – und zugleich eine nervige Hürde für viele Spieler. Ein Plädoyer für den Reiz der Unerreichbarkeit. Unser neuer Kolumnist Maximilian hat sich, als alter WoW-Hase, mit diesem Streitthema auseinandergesetzt, das spätestens seit dem Event-Buff: „Blick des Schwarzen Prinzen“ in den öffentlichen Foren polarisiert. Sieht Blizzard seine Legendarys neuerdings als Massenware?
Legendäre Gegenstände haben eine lange Tradition in der Entwicklung von Word of Warcraft und waren sowohl fester Bestandteil des Classic-Spiels als auch einer jeden Erweiterung. Ich erinnere mich noch gut an Sulfuras, der Hand von Ragnaros, den mächtigen Bogen Thori'dal oder an die legendäre Zweihandaxt Schattengram, geschmiedet aus Lichträcher.
Zwar hatte man von den Waffen gehört, wirklich zu Gesicht bekommen hat man sie jedoch nie, vielleicht selten einmal in den damals noch besser bevölkerten Hauptstädten. Eines hatten sie gemein: Sie waren nur über lange, sehr komplexe und teilweise knallharte Questreihen erhältlich, konnten aus anderen extrem seltenen Gegenständen erschaffen werden oder wurden von Endgegnern fallen gelassen, denen die wenigsten Spieler zur damaligen Zeit überhaupt gegenüberstanden. Als Beispiel seien hier die Kriegsgleven von Azzinoth, die eindrucksvollen Waffen des Burning Crusade Endgegners Illidan Sturmgrimm, genannt. Hinzu kam ein weiteres Element, das diese Waffen auszeichnete: Sie erzählten Geschichten, die oftmals an die Handlung der vorangegangenen Warcraft Teile anknüpften.
Des Prinzen neue Kleider
Im Rahmen der Entwicklung des Spieldesigns änderte Blizzard auch seine Strategie bei der Vergabe von legendären Gegenständen: Weniger exklusive Inhalte für Hardcore-Spieler, die Bosse auf dem maximalen Schwierigkeitsgrad besiegen wollen, freier Zugang zu allen Bereichen des Spiels für Gelegenheitsspieler. So blieb Blizzard seiner Tradition treu und implementierte auch in Mists of Pandaria eine legendäre Quest-Reihe, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: Die verschiedenen Aufgaben hin zur legendären Belohnung sind für jedermann bei entsprechendem Zeitaufwand locker machbar. Ganz im Gegensatz zu der hier beispielhaft erwähnten Schattengram Quest-Reihe, bei der verschiedene Gegenstände innerhalb der Raid-Instanz Eiskronenzitadelle gesammelt und verschiedene Bosse mit speziellen Kampftechniken besiegt werden mussten, sind die Aufgaben der aktuellen Quests des schwarzen Prinzen alles andere als legendär:
Die Spieler müssen dabei unter anderem Ruf bei verschiedenen Fraktionen durch stumpfes Grinding erlangen, 3000 Tapferkeitspunkte verdienen (wobei nur maximal 1000 dieser Punkte wöchentlich pro Charakter gesammelt werden können), auf den Schlachtfeldern erfolgreich sein, verschiedene Gegenstände aus den Raid-Instanzen von Mists of Pandaria sammeln und zusätzlich eine Prüfung bestehen, die sich nach der jeweiligen Charakterspezialisierung richtet. Fast spielend einfach, im Vergleich zu den Quest-Reihen der vergangenen Erweiterungen, die teilweise Spieler an die Grenzen zur Verzweiflung brachten und ohne Schlachtzug, der nur auf dieses Ziel für _einen_ Spieler hinarbeitete, fast unmöglich waren. Belohnt wird der zeitliche Aufwand im aktuellen Addon direkt mit einem Set aus legendären Belohnungen: mächtige Edelsteine, einem legendären Metasockel mit besonderem Effekt und schließlich mit dem legendären Umhang, der je nach Spezialisierung über einen besonderen, sehr nützlichen Effekt verfügt und dank Item-Level 600 auch das beste 'Teil' im derzeitigen Content ist.
Wer wieder einsteigen möchte, muss zunächst viel Zeit investieren
Da die Quest-Reihe um den Schwarzen Prinzen lediglich mit etwas Zeitaufwand machbar ist und Blizzard den Spielern von Zeit zu Zeit unter die Arme greift, wie aktuell mit einem Bonus für erhöhten Rufzuwachs und erhöhter Drop-Chance für die benötigten Gegenstände, besitzen nun die meisten Spieler mindestens ein Exemplar des legendären Umhangs. Diese Tatsache führte zu einem Wandel der Aufnahmevoraussetzungen von Raid-Gruppen und -Gilden, sodass es nun unmöglich geworden zu sein scheint, eine Schlachtzuggruppe für den normalen Schwierigkeitsgrad (Ansturm auf Orgrimmar) zu finden, ohne das tolle Legendary zu besitzen, da es sich um einen Best-in-slot Gegenstand handelt.
Wer also nach längerer WoW-Abstinenz wieder einmal außerhalb des Schlachtzug-Browsers aktiv an einem Raid teilnehmen möchte, muss sich demnach etwa zehn Wochen lang mit der legendären Quest-Reihe auseinandersetzen. Das klingt zwar viel, es braucht dafür weder eine eingespielte Gilde, noch besonderen Fertigkeiten, sondern lediglich Zeit, die viele Spieler jedoch nicht aufwenden können oder wollen.
Für Spieler wie mich, die eher zu der heilenden Fraktion gehören, wird das 'Ruf farmen' durch das notwendige Grinding doppelt unangenehm. Zwar ist die Schaltfläche zur Spezialisierungsänderung nur zwei Klicks entfernt, aber welcher Heiler hat schon Lust darauf, mehrere Wochen mit der unliebsamen Schadensspezialisierung zu spielen, obwohl die Motivation zum Farmen aus der Lust erfolgt, einen Schlachtzug am Leben zu erhalten. Zudem wird es noch unangenehmer für Spieler, die sich nicht auf einen Hauptcharakter festlegen wollen: Da der Umhang nicht account-gebunden ist, muss jeder einzelne Charakter, mit dem der Spieler gerne an Schlachtzügen teilnehmen möchte, zuerst die Quest-Reihe absolvieren – eine wahre Sisyphusarbeit.
Dabei wurde es mit der Zeit immer üblicher mehrere Charaktere zur Auswahl für die Zusammenstellung von Raids zu haben, da von Balance-Patch zu Balance-Patch die eine Klasse nützlicher für die Gruppe wird als die andere.
Seltenheit, ein bedeutendes Spielelement
Es bleibt die entscheidende Frage: Wenn nun einer immer größer werdenden Zahl von Spielern die mächtigsten legendären Gegenstände zur freien Verfügung stehen, sind diese dann überhaupt noch legendär? Müssen wir daher Abschied nehmen von der Vorstellung, dass dort draußen sagenumwobene Items existieren, die so besonders sind, dass wir sie wahrscheinlich niemals, auch nicht an unseren Mitspielern, sehen werden? Blizzard hingegen scheint zufrieden mit der aktuellen Herangehensweise zu sein, es gibt bereits einige Meldungen über zwei weitere ähnliche legendäre Quest-Reihen, die innerhalb des kommenden Addons Warlords of Dreanor erscheinen werden. Die Entwickler vertreten zudem die Ansicht, dass der legendäre Status eines Gegenstands nicht über seine Seltenheit, sondern über seine Qualitätsstufe definiert sei.
Meiner Ansicht nach gehören neben Bossen, die meine Fähigkeiten bei Weitem übersteigen, eben auch besondere, geheimnisvolle Rüstungsteile und Waffen, die ich niemals besitzen werde. Diese Unerreichbarkeit verleiht ihnen den besonderen Reiz der Einzigartigkeit, ganz im Gegensatz zu Umhängen, die im Wesentlichen als Schlachtzugs-Eintrittskarten dienen und jedermann das Gefühl geben sollen, wahrhaft legendär zu sein.
*Meinung von Christian Liebert*
Was habe ich mich damals gefreut, als ich im Geschmolzenen Kern mein erstes episches Teil in der Hand hielt. Einen Gürtel, für den ich dich meinen kompletten DKP-Pool leerte. Es war etwas Besonderes, weil ich es mir hart erspielt hatte und nicht alleine zur Auswahl stand, als es zur Verteilung kam. Auf den berühmten Magierstab hätte ich seiner Zeit mindestens ein halbes Jahr warten müssen, so begehrt war er und so voll war auch die Warteliste. Seit Wrath of the Lich-King hat dieser Status an Wert verloren, weil nicht mehr die Farbe, sondern der Gear-Score bestimmt. Epics werden einem hinterhergeworfen, bis man "Stopp" schreit. Habe ich früher sogar Teile für andere Klassen aufgehoben, weil ich einfach gerne ein paar solcher Stücke hätte, so verkaufe ich heute jede Woche einen Sack voll davon – für ein paar Piepen, die zum Reppen dienen. Ich verstehe es ganz und gar, dass sich Spieler über den vereinfachten Weg zum Legendary freuen – habe ich mich eigentlich auch. Aber spätestens, wenn man es hat und sieht, dass fast jeder Gildenkollege auch mit dem Umhang herumläuft, kommt einem dieser Wert so nichtig vor. Es gab mal Zeiten, da war ein legendäres Item noch ein Status-Wert, der nun den allerbesten Spielern vorenthalten war. Heute verkommt es zum Ramsch, der nicht mehr als ein Item-Score-Boost ist.