Vor wenigen Tagen wurde auf YouTube das Interview mit dem EU-Kommissionspräsidenten übertragen. Drei YouTuber aus Deutschland, Frankreich und Polen konnten dem Politiker ihre Fragen stellen. Jetzt veröffentlichte eine der YouTuber einen geheimen Mitschnitt hinter den Kulissen.
Wie bereits US-Präsident Barack Obama von YouTubern interviewte wurde, fand in der letzten Woche eine Fragerunde mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker statt. Ein Deutscher, eine Französin und ein Pole hatten die Möglichkeit, ihn zu fragen – jeder von ihnen ist in seinem Land ein bekanntes Gesicht durch YouTube.
Wie sich nun herausstellte, sollte das Interview jedoch nicht so frei ablaufen, wie angekündigt. Die YouTuberin Laetitia Birbes veröffentlichte auf ihrem Kanal einen Mittschnitt eines Gespräches zwischen ihr und einem YouTube-Mitarbeiter. Wie klar zu hören ist, übte er vor der Sendung Druck auf die junge Frau aus.
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„Außer dir ist deine Karriere auf YouTube egal.“
Sie stellte ihm die kritischen Fragen, unter anderem zum Lobbyismus und den milliardenschweren Steuergeschenken der Luxleaks vor. Der YouTube-Mitarbeiter entgegnete, dass sie dies einfach nicht machen könne. „Wie ich dir gesagt habe, das muss ich mit Natasha [Natasha Bertaud, die Pressesprecherin von Juncker] absprechen. Es gibt immer das Risiko, dass es eine rote Flagge gibt.“
„Eine rote Flagge?“, fragte Birbes. „Ja, eine Rote Flagge. Wir können das nicht machen. Du stellst Juncker ziemlich schwere Fragen, du redest von Lobbyismus und Großunternehmen“, antwortete er und schickte eine Drohung hinterher: „Du willst nicht auf der falschen Seite stehen, von YouTube, der EU-Kommission oder den Leuten, die dir vertrauen. Außer dir ist deine Karriere auf YouTube egal.“
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YouTube machte ihr später ein Vertragsangebot
Birbes stellte die kritischen Fragen trotzdem – live vor laufender Kamera. Wie sie erklärte, wollte sie sich nicht selbst belügen und das Richtige tun. Das gut eine Stunde lange YouTube-Interview mit Jean-Claude Juncker auf Deutsch könnt ihr euch hier ansehen.
Am nächsten Tag war sie zu einem Gespräch bei Google eingeladen, dem Betreiber von YouTube. Anders als erwartet wird sie nicht mit Kritik konfrontiert, sondern erhält ein Vertragsangebot in Höhe von 25.000 Euro. „Ob der Vertrag schon vorher feststand oder sie das Angebot machten, weil sie Angst hatten, ich könnte an die Öffentlichkeit gehen, weiß ich nicht“, sagte sie.
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Google spricht von Empfehlungen, EU hatte keinen Einfluss
Letztlich sei der Vertrag genau das gewesen, was sie als YouTuberin immer haben wollte. Sie könnte Mitarbeiter einstellen und ihre Ideen verwirklichen, die ihre humanitären Videos unterstützen würden. Doch zum aktuellen Zeitpunkt „kann ich das nicht“. „YouTube ist eine Plattform, an die wir alle glauben, und wir müssen alle dafür kämpfen, dass sie frei bleibt.“
Google entgegnete in einer Stellungnahme, dass der YouTube-Mitarbeiter ihr lediglich helfen wollte. Er gab Empfehlungen, über das Handy oder den Hund von Juncker zu sprechen, anstatt harte, aktuell-politische Themen aufzuarbeiten. Seitens der EU-Kommission habe es zudem keinen Einfluss gegeben, die einzigen Bedingungen für das Interview waren drei Fragesteller, die Europas Diversität, die Geschlechtergleichheit und die sprachlichen Differenzen repräsentieren.