Artikel

Zensur: Staatsanwaltschaft: ARD und ZDF dürfen Videospiel mit Hakenkreuz-Symbol verbreiten

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat eine Anzeige gegen den Südwestrundfunk abgelehnt. Die öffentliche-rechtliche Rundfunkanstalt verbreitete im Auftrag von ARD und ZDF ein Videospiel, in dem ein Hakenkreuz-Symbol abgebildet wird. Es ist das erste Mal, dass die Sozialadäquanzklausel für ein Spiel prinzipiell anerkannt wird.

Auf eine etwas andere Art und Weise setzte sich der Südwestrundfunk im vergangenen Jahr mit der Bundestagswahl auseinander: Im Rahmen von funk, einem öffentlich-rechtlichen Gemeinschaftsprodukt von ARD und ZDF, veröffentlichte die Rundfunkanstalt zusammen mit der Produktionsfirma Turbokultur GmbH ein Videospiel mit dem Namen „Bundesfighter II Turbo“. Ein simples Kampfspiel à la Street Fighter II, mit diversen Spitzenpolitikern als Protagonisten – darunter auch AfD-Parteivorsitzender Alexander Gauland.

Gauland verfügt in dem Spiel über eine Sprungattacke, die zweifellos ein spiegelverkehrtes Hakenkreuz abbildet, wenn auch leicht verschleiert. Doch durfte das Hakenkreuz überhaupt in dem Videospiel abgebildet werden oder nicht? Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart entschied, dass ARD und ZDF nicht gegen die aktuelle Rechtslage verstießen.

ARD und ZDF dürfen Hakenkreuze zeigen

Dass sich die Staatsanwaltschaft überhaupt mit dem Spiel befasste, ist auf die Initative des „Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler“ zurückzuführen. Ein Mitglied stellte bei der Staatsanwaltschaft Berlin eine Strafanzeige, um herauszufinden, wie diese die aktuelle Rechtslage interpretieren würde.

In Berlin leitete man die Anzeige an die Staatsanwaltschaft Stuttgart weiter, da dort der Verwaltungssitz des für funk federführenden Südwestrundfunks liegt. Das Ergebnis: Ja, das Videospiel darf in seiner vollen Form verbreitet werden – auch mit Hakenkreuz.

Bundesfighter ist Kunst

Zwar handle es sich dem zuständigen Staatsanwalt zufolge eindeutig um die Darstellung eines Hakenkreuzes, ein Ermittlungsverfahren sei angesichts einer dafür fehlenden rechtlichen Grundlage aber als unnötig zu erachten. Das Spiel sei eindeutig durch die Sozialadäquanzklausel gedeckt, die besagt, dass Symbole verfassungswidriger Organisationen im Rahmen der Wissenschaft, Lehre, Kunst oder staatsbürgerlichen Aufklärung dargestellt werden dürfen.

Bei „Bundesfighter II Turbo“ handle es sich somit definitiv um Kunst, so der Staatsanwalt. Zugutekommt, dass das Spiel thematisch der „Satire mit überzeichneten Charakteren und Darstellungen“ zuzuordnen sei und obendrein durch die Verbindung zur Bundestagswahl politisches Bewusstsein fördere.

Der Weg zur Generalstaatsanwaltschaft

Nach Entscheidungs des Staatsanwalts stellte der Verband bei der obergeordneten Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart eine weitere Anzeige, in der mit einem mittlerweile 20 Jahre alten Urteil argumentiert wird. Demnach seien die Behörden zur Ermittlungen verpflichtet, weil Videospiele damals nicht vom Schutz der Sozialadäquanzklausel profitierten. Das Oberlandesgericht Frankfurt urteilte damals fehlerhaft und ohne Berücksichtigung der Klausel, dass Wolfenstein 3D durch die Darstellung von Hakenkreuzen nicht eine kritische Auseinandersetzung fördere.

Die Nichtberücksichtigung der Sozialadäquanzklausel ist jedoch der Grund, warum fast alle Rechtsexperten den gängigen Zensus, Videospiele dürften keine Hakenkreuze oder jeglichen konkreten Bezug zum Nationalsozialismus darstellen, als überholt ansehen. Es wurde nämlich nie pauschal entschieden, dass Videospiele nicht von der Klausel gedeckt sind. Stattdessen verwies man darauf, dass angesprochene Kinder und Jugendliche in Kontakt mit entsprechenden Symbolen kommen könnten. Das Gericht sah Videospiel damals, so die Meinung vieler, einfach nicht als Kunst an.

Das Kulturgut Videospiele

Mittlerweile ist die Situation natürlich anders, im Jahr 2008 wurden Videospiele vom Kulturrat offiziell als Kulturgut anerkannt und fallen somit unter den Begriff der Kunst. Doch auch so gibt es eigentlich keinen konkreten Grund, warum die USK oder die Publisher sich vor der Darstellung von Hakenkreuzen scheuen: Es gibt kein explizites Gerichtsurteil, kein Gesetz, keine Grundlage, die das verhindert. In der deutschen Videospielindustrie herrscht lediglich die Angst vor der Stigmatisierung, dass man plötzlich das Eintauchen in die Welt der Nazis ermöglicht. Selbst die für Indixierungen zuständige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien verwies 2010 darauf, dass ein neues Gerichtsurteil die Stimmung ins Positive kippen würde.

Dass wir in Deutschland in Videospielen keine Hakenkreuze darstellen oder sehen dürfen, ist also eigentlich völlig unbegründet. Bis heute will niemand so wirklich den ersten Schritt gehen, stattdessen verweist man immer wieder auf ein Gerichtsurteil, das eigentlich nichts sagt und, nur zur Wiederholung, zwanzig Jahre alt ist.

Call of Duty WW2Call of Duty WW2: Hakenkreuze wenig überraschend zensiert

Hakenkreuze in Videospielen sind nicht verboten

Doch zurück zur Generalstaatsanwaltschaft, die sich im Anschluss ebenfalls mit dem Videospiel befasste und der Staatsanwaltschaft beipflichtete. Es gäbe keinen Grund für eine Ermittlung, zudem sei die aktuelle Rechtslage überholt. Es sei kein Urteil einer Instanz wie dem Bundesverfassungsgericht bekannt, dass sich mit der Darstellung verfassungsfeindlicher Symbole in Videospielen befasst.

Die Generalstaatsanwaltschaft sei nach Abwägung der Sozialadäquanzklausel, der Zugehörigkeit von Videospielen zum Kunstbegriff und der damit verbundenen Kunstfreiheit der Ansicht, dass ARD und ZDF das Videospiel problemlos verbreiten dürften. Explizit wird dabei auf aktuelle Literatur verwiesen, die sich mit dem Thema befasste.

Ein erster Schritt

Noch ist unklar, wie es in der hiesigen Videospielbranche weiter geht. Wie der Verband richtig erläuterte, dürfte niemand dem damaligen Urteil des Oberlandesgerichts zustimmen und sich stattdessen auf den aktuellen Zenus beziehen. Aber wie sorgt man dafür, dass eine ganze Industrie ihre Angst verliert?

Eine Möglichkeit wäre, so der VDVC, dass ein Publisher ein Spiel bei der USK einreicht, dass ein verfassungsfeindliches Symbol enthält. Denkbar ist beispielsweise, dass Bethesda einen einfachen Versuch mit Wolfenstein 2 unternimmt. In der deutschen Fassung wurden bekanntlich sämtliche Bezüge zum Nationalsozialismus entfernt.

Hakenkreuze zur Unterhaltung

Sollte die USK eine Freigabe verweigern, kann noch immer ein Urteil durch das Bundesverwaltungsgericht erzielt werden. Der Publisher hätte auch nichts zu verlieren, das Bundesverfassungsgericht erklärte bereits vor Ewigkeiten, dass die Einreichung eines potenziell illegalen Spiels nicht strafbar ist.

Käme es tatsächlich zu einem Urteil, dürfte auch folgendes klar sein: Ein Videospiel muss, wenn es von der Sozialadäquanzklausel gedeckt sein will, nicht trocken sein. Auch hier erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass ein entsprechendes Werk auch einzig und alleine der Unterhaltung dienen darf.

Es muss sich jetzt nur ein Publisher finden, der sich traut.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"